Professor entkräftet übliche Meinungen zum Thema Bevölkerungsentwicklung

Politik betreibt Schwarzmalerei und übersieht wichtige Fakten

Es vergeht kein Tag, an dem die Medien nicht über das Thema der dramatischen Bevölkerungsentwicklung und deren Folgen berichten. Ein Professor der Fachhochschule Koblenz, Standort Remagen, hält mit stichfesten Argumenten dagegen und behauptet sogar, dass die demographische Entwicklung keineswegs Anlass zur Beunruhigung gibt. Denn bei den Parolen aus der Politik oder generell in den Medien werden wichtige Aspekte übersehen.

Seitdem Professor Dr. Gerd Bosbach, der Statistik, Mathematik und Empirik lehrt, mit seinen Argumenten an die Öffentlichkeit ging, reist er von einem Termin zum anderen. Die Anfragen hinsichtlich Interviews, Vorträgen oder sogar Fernsehauftritten sind mittlerweile so rasant angestiegen, dass er auch Termine ablehnen muss. Was sind das für aufsehenerregende Thesen? Auf alle Fälle machen sie Mut oder regen zumindest zum Nachdenken an.

Ausgehend von der allgemein vorherrschenden Meinung, dass die Alterung der Gesellschaft bereits in den nächsten Jahrzehnten große Herausforderungen – oder gar unüberwindbare Probleme – für die Wirtschaft, Gesellschaft und den sozialen Sicherungssystemen darstellen, widerlegt Bosbach schrittweise mit insgesamt sieben Argumenten, dass diese Sichtweise pure Schwarzmalerei ist. So wird z.B. oft gesagt, dass die Gesundheitsversorgung und die Alterssicherung nicht mehr bezahlbar sein werden.

Bosbach beginnt seine Argumentation mit der Behauptung, dass längerfristige Prognosen bis zu 50 Jahre im voraus, wie sie das Statistische Bundesamt gerne vornimmt, moderne Kaffeesatzleserei darstellen. Denn was wäre in den vergangenen 50 Jahren bei derartigen Prognosen nicht alles übersehen worden: Die Entwicklung und Verbreitung der Antibabypille, die Anwerbung und den Zuzug von ausländischen Arbeitskräften und ihren Familien, der Trend zur Kleinfamilie bzw. zu einem Single-Dasein oder auch die Öffnung der Grenzen im Osten mit dem Zuzug von ca. 2,5 Millionen Aussiedlern aus den osteuropäischen Ländern nach Deutschland und sogar die Wiedervereinigung Deutschlands, die sich so schnell keiner hat träumen lassen. Derartige Strukturbrüche sind nicht vorhersehbar, besonders, wenn neuartige Trends entstehen, die niemand zuvor kannte. Gerade in der heutigen schnelllebigen Zeit seien solche Prognosen unrealistisch. Allein eine Prognose von 1900 bis 1950 hätte zwei Weltkriege sicherlich nicht einkalkuliert, so Bosbach. Ein weiteres Argument ist, dass bestimmte Modellannahmen für statistische Berechnungen keine Naturgewalt darstellen, sondern von der Politik positiv beeinflusst werden können. So beispielsweise die Kinderanzahl pro Frau: In Frankreich wurde es bereits bewiesen, dass durch eine entsprechende familien- und kinderfreundliche Politik die Anzahl der Kinder pro Frau in den vergangenen 10 Jahren um immerhin 14% gesteigert wurde. Mit positiver Auswirkung auf den Bevölkerungsstand und der Erwerbstätigen kann auch eine entsprechende Ausländer-, Europa- und Integrationspolitik betrieben werden.

Ein weiteres gewichtiges Argument wird ebenfalls oft übersehen: Die Medien stellen die Alten als Kostenverursacher dar, die der Sozialstaat unterstützen muss. „Dass Kinder und Jugendliche neben Essen, Kleidung und Wohnen – oft von den Eltern finanziert – auch gesellschaftliche Ausgaben erfordern, z.B. für Kindergärten, Schulen, Gesundheit, inkl. Personal, wird meist nicht beachtet. Bei seriösen Betrachtungen darf nicht nur der Altersquotient, sondern muss auch der Jugendquotient dargestellt werden. Die Summe beider, der so genannte Gesamtquotient, ist eine aussagekräftige Größe über die von den Erwerbsfähigen zu versorgenden Menschen“, erläutert Bosbach, der selbst von 1988 bis 1991 beim Statistischen Bundesamt gearbeitet hat und zu wissen scheint, wovon er spricht. Ein weiteres Argument ist die Annahme, dass Menschen generell länger leben und die Erwerbstätigen dadurch überfordert werden. Die Dramatiker gehen bei ihren Berechnungen von demselben Renteneintrittsalter wie heute aus. Einige nehmen für heute sowie für 2050 dabei das offizielle Alter von 65 Jahren, andere das derzeit eher tatsächliche durchschnittliche Renteneintrittsalter von 60 Jahren. Aber übereinstimmend nehmen sie für 2003 und 2050 dasselbe Renteneintrittsalter. Die Fachleute des Statistischen Bundesamtes hingegen berechnen auch die Entwicklung, wenn heute bis 60 Jahre und 2050 bis 65 Jahre gearbeitet wird. Bosbach tritt damit nicht für eine generelle Anhebung des tatsächlichen Renteneintrittsalters ein. Aber den heutigen Zustand, vielfach durch Arbeitslosigkeit oder Frühverrentung verursacht, auf das Jahr 2050 bei längerer Lebenserwartung und angeblichem Arbeitskräftemangel festzuschreiben, sei schlichtweg unseriös. Und dass ein Produktivitätsfortschritt mehr Rentner erlaubt, ist eine von Bosbachs weiteren Argumenten. Bei den jetzigen Prognosen wird für 2050 die gleiche Leistungsfähigkeit wie heute unterstellt. Dass aber durch den technischen Fortschritt ein Arbeitnehmer produktiver ist und dadurch in der Lage, etwas mehr für die Rentner und Kinder abzugeben, ohne selbst auf die Teilnahme am Fortschritt verzichten zu müssen, wird vollkommen außer Acht gelassen.

Außerdem wurde mit den Prognosen für 2050 bewusst oder unbewusst das dramatischste Jahr hinsichtlich Überalterung ausgewählt, wären doch die geburtsstarken Jahrgänge der heute 30 - 40-Jährigen im Jahr 2060 überwiegend verstorben, die für 2050 noch als Rentner mit in die Betrachtung eingehen.

Es schließt sich die Frage an, warum die demographischen Horrorszenarien überhaupt ständig wiederholt werden. Professor Bosbach ist der Meinung, dass Politiker damit ein Alibi haben, weitere Kürzungen im Sozialbereich, etwa bei den Renten oder im Gesundheitswesen vorzunehmen. Dabei wird die Rente nicht gekürzt, weil in 50 Jahren mehr alte Menschen zu versorgen sind, sondern weil die Rentenkassen heute leer sind. Oder aber sie wissen es nicht besser, so Bosbach.

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