Erfolgreicher Workshop „Neue Brücken für das Ahrtal"

06.05.2022

Wissenschaft für den Wiederaufbau |

Das Kompetenznetzwerk Wissenschaft für den Wiederaufbau hat in Kooperation mit dem KAHR-Projekt am 06.05.2022 am Hochschulstandort Remagen einen ersten Workshop zum Thema „Neue Brücken für das Ahrtal“ durchgeführt.

  • Zerstörte Ahrbrücke in Altenahr (Foto: Prof. Dr. Lothar Kirschbauer, HS Koblenz)

  • Vortrag RWTH Aachen: Wissenschaftliche Beschreibung de Entstehung und Ausprägung von Schäden an Brücken

  • Ergebnisse der Arbeitsgruppen 1 - Konstruktion - Hydraulik - Gestaltqualität

  • Ergebnisse der Arbeitsgruppen 2 - Beschleunigung durch Verständigung auf Grundprinzipien

Das Kompetenznetzwerk steht für die wissenschaftliche Begleitung des mittel- und langfristigen Wieder- und Neuaufbaus. Bei den komplexen Fragestellungen des Wiederaufbaues will es Kreise und Kommunen unterstützend beraten sowie mit Wissenschaft und Landesbehörden vernetzen. Die an der Hochschule Koblenz angesiedelte Geschäftsstelle hat dabei koordinierende Aufgaben. Ziel ist die Bündelung wissenschaftlicher Expertise zu Krisenfolgenbewältigung und Wiederaufbau im Sinne einer nachhaltigen, klimaangepassten und resilienten Entwicklung des Ahrtals.

Der Workshop

In diesem Sinne wurde der Brückenworkshop in Kooperation mit dem KAHR-Projekt vorbereitet und neben Kreisen und Kommunen, Landesbehörden, auch Kolleg:innen aus der Praxis, aus Ingenieur-, Architektur- und Umweltbüros eingeladen. So trafen sich am 06. Mai 2022 ca. 65 Fachpersonen am Rhein-Ahr-Campus der Hochschule Koblenz zum gemeinsamen Suchen nach besten Lösungen.

Start mit sieben Impulsbeiträgen

Zum Einstieg präsentiert Lisa Burghardt die Untersuchungsergebnisse der RWTH Aachen zur Erfassung der Brücken im Ahrtal. Dabei wurde der Frage nachgegangen, ob es einen Zusammenhang zwischen Brückentyp und Schadensbild gibt. Von 115 Brücken haben 60 Brücken Schäden erlitten: Je näher an der Mündung gelegen, desto mehr bzw. größere Schäden sind aufgetreten. Bogen- und Mehrfeldbrücken sind tendenziell häufiger zerstört als andere Brücken, aber generell sind alle Brückentypen von Zerstörung betroffen. Insbesondere stellte die Verklausung ein großes Problem dar, denn - unabhängig vom Brückentyp – waren 80% der Brücken verklaust bis stark verklaust. Weitere Untersuchungen z.B. zur Überströmung der Brücken sind erforderlich. Ziel der vorgestellten Untersuchung ist, Aussagen für künftige Hochwasservorsorge treffen zu können.

In drei weiteren Beiträgen wird jeweils der aktuelle Stand zur Brückenwiederherstellung aus Sicht unterschiedlicher Baulastträger geschildert. Während DB Netz AG und das LBM bereits Vergabeverfahren für ihre Brückenplanungen vorbereiten, stellt die Wiederherstellung der zerstörten Brücken und Verbindungswege für die Kommunen, die diese in Eigenverantwortung wieder errichten müssen, besondere Herausforderungen dar. Da sich der Fluss einen Teil der Flächen der Bahn genommen hat, sind für DB Netz nicht nur die Brücken, sondern die ganze Bahnstrecke im Ahrtal zu betrachten und wieder befahrbar zu machen. Trotzdem wird von dieser Seite signalisiert, dass die Bahnstrecke bis Ahrbrück klimafreundlich, elektrifiziert bis 2025 wiederhergestellt sein wird. Die Brückenbauwerke der Bahn sind im Gradientenverlauf aber an viele Zwangspunkte gebunden.

Seitens des LBM werden drei Wiederaufbaukategorien für die Brücken beschrieben:

  • die Kategorie „Neu wie alt“, hierzu zählen Brücken, die hydraulisch ausreichend leistungsfähig waren, aber dennoch zerstört wurden.
  • Die Kategorie „Neu optimiert“, d.h. Brücken, die hydraulisch nicht ausreichend leistungsfähig waren und dann
  • die „Optimierung im Bestand“, d.h. Brücken, die die Flut zwar überstanden haben, aber hydraulische Defizite aufweisen.

Als Möglichkeiten zur hydraulischen Optimierung bei den Brückenbauwerken werden neben den konstruktiven Lösungen weitere Ansätze benannt, wie  z.B. Böschungen zu versteilen,  Flutmulden an Überbauenden, die Brücken durch Vorlandbrücken zu verlängern, Teilrückbau, d.h. einige Bögen durch Rahmen ersetzen (wie bei der Balduinbrücke Koblenz), um baukulturelles Erbe erhalten zu können. Rückbau sollte als letzte Lösung in Betracht gezogen werden.

Als Vertreter der kommunalen Seite weist der Tiefbauamtsleiter der Entwicklungs- und Aufbau-gesellschaft Bad Neuenahr-Ahrweiler daraufhin, dass „das wichtigste für die Brückenplanungen … die Klärung des Hochwasserschutzes und der neuen HQ-100-Linie“ ist. Die Erstellung von Hydraulik-Modellen in Verbindung mit den Brücken wird angeregt und könnte den Planungsprozess beschleunigen.

Drei weitere Vorträge benennen Ziele und Möglichkeiten zum Wiederaufbau der Brücken aus wasserwirtschaftlicher, aus konstruktiver und aus baukultureller Sicht und geben damit einen konstruktiven Input für die Diskussion in vier unterschiedlichen Arbeitsgruppen.

Aus wasserwirtschaftlicher Sicht werden folgende drei Zielvorstellungen benannt:

  • Hydraulische Leistungsfähigkeit mindestens HQ100 + 1m Freibord, besser angepasst an HQ extrem (das aus 2021)
  • Strömungsgünstige Ausgestaltung,
  • Standsicherheit der Brücken bei HQ extrem.

Aus konstruktiver Sicht werden für neue Straßenbrücken im Ahrtal Lösungsansätze für hochwasserresistente Bauweisen, unter Berücksichtigung extremer Hochwasserstände aufgezeigt:

  • Vorgespannte Betonplatte mit glatter Untersicht und maximaler Schlankheit, sowie zurückgesetzte Widerlager und großzügige Brückenlänge,
  • Intergrale oder semi-integrale Bauweise, Gründung auf Bohrpfählen oder mit Spundwandkästen
  • Nicht zu große Stützweite um minimale Bauhöhe des Überbaus zu erreichen,
  • Absturzsicherung: Erhöhtes Schrammbord und keine passiven Schutzeinrichtungen; Geländer klappbar oder demontierbar

Die baukulturelle Sicht weist auf die Vielzahl unterschiedlicher Parameter, die zur Qualität einer Brücke beitragen, hin und erinnert daran, die Auseinandersetzung mit dem Ort nicht zu vernachlässigen. Es wird empfohlen, von Fall zu Fall auf qualitätssichernde Instrumente wie integrierte, interdisziplinäre Planung, je nach Standort mit städtebaulichem Gesamtkonzept zurückzugreifen. Außerdem sind je nach Projekt auch Wettbewerbe - für sensible Standorte - oder Kooperationen zwischen Bauingenieuren und Architekten sowie Planungsbegleitende Workshops sinnvoll.

Ergebnisse des Workshops zusammengefasst:

In den vier Arbeitsgruppen wurde sehr konstruktiv diskutiert. Erste generelle Lösungen für die neu zu errichtenden Brücken wurden entwickelt. Diese sollen sowohl den konstruktiven als auch den hydraulischen Zielen gerecht werden und Spielräume für ortsgerechte gestalterische Ausbildungen zulassen.

  • Generell strömungsoptimierte Konstruktionen erforderlich mit maximalem Querschnitt für größtmögliche Durchflüsse.
  • Wesentliche zu prüfende Fragestellung ist der Lastansatz für die Strömungskräfte.
  • Hierfür sowie für mögliche Geländerlösungen mit rausbrechbaren Füllungen sind an einer Brücke exemplarisch hydraulische Untersuchungen und Berechnungen durch-zuführen.
  • Widerlager sollten grundsätzlich keine senkrecht zum Fluss gerichteten Ansichtsflächen haben und Natursteinverkleidungen sollten auf die Widerlager beschränkt werden.
  • Die Vielzahl an neu zu errichtenden Brücken erfordert eine Priorisierung der Brücken nach Kriterien wie Relevanz für Katastrophenschutz, Verkehrswege etc. als erforderlich angesehen.
  • Sehr deutlich wird die Notwendigkeit verbesserter Kommunikationsformen, z.B. einer moderierten Kommunikationsplattform. Gerade der Workshop zeigt, dass Austausch und Vernetzung unbedingt erforderlich sind und zu Wissenstransfer sorgen.
  • Wunsch eines Leitfadens „Grundsätze“, der technische, konstruktive, sowie wasserwirtschaftliche und gestalterische Grundsätze für die neuen Brücken festlegen soll.
  • Ein weiterer Leitfaden „Antragsverfahren“ soll eine zwischen ADD und SGD abgestimmte Checklisteenthalten, welche Unterlagen jeweils einzureichen sind. Antragsverfahren bei ADD und SGD sollen so vereinfacht und beschleunigt werden. ADD- und SGD-Vertreter sagen diese Abstimmungen direkt zu.
  • Idee eines beratenden Expertengremiums, bildet einen interdisziplinär besetzten Fachbeirat, soll am Leitfaden „Grundsätze“ mitwirken, geplante Brückenentwürfe beraten und vereinbarte Inhalte und Ziele beachten.
  • die vielen Brückenbauwerke und damit verbundene logistische Herausforderungen erfordern einen „Kümmerer*in“, der/die eine Projekt steuernde Funktion hat, auch die mögliche Priorisierung steuert, Ansprechpartner*in für konkrete Planungs- und Gestaltungsthemen ist, mit dem Experten-/ Fachbeirat kooperiert und kleinere Kommunen gegenüber den Baulastträgern oder sonstiges vertreten kann.
  • Zum Start jedes Projektes soll ein Scopingtermin – analog der Umweltplanungen - installiert werden. Einberufung liegt je in der Zuständigkeit des Vorhabenträgers, dessen Interesse eine gute und schnelle Abwicklung des Vorhabens ist.

Der Workshop ist insgesamt auf sehr positive Resonanz gestoßen. Eine Fortführung zu einem späteren Zeitpunkt wird begrüßt. Spontan und im Nachgang haben sich Vertreter von Ingenieurbüros bereit erklärt, hier aktiv - z.B. bei der Checkliste „Antragsverfahren“ – mitzuwirken. Das Kompetenznetzwerk Wissenschaft für den Wiederaufbau wird die Impulse aufgreifen, die Themen und Inhalte weitervermitteln und Kontakte vernetzen. Ein weiterer Workshop zum Thema ist im Herbst 2022 geplant; Details hierzu werden in Kürze bekanntgegeben.