Datengetriebene Systeme: Hochschule Koblenz mit drittem Forschungsschwerpunkt auf der Forschungslandkarte der Hochschulrektorenkonferenz vertreten

KOBLENZ. Auf der Forschungslandkarte der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), auf der die herausragenden Forschungsschwerpunkte der deutschen Hochschulen eingetragen sind, ist die Hochschule Koblenz bereits seit einigen Jahren mit den beiden interdisziplinären Themenkomplexen „Analytische Bildgebung“ sowie „Bildung, Sozialpolitik und Soziale Arbeit im Kontext demografischen Wandels“ vertreten. Nun erweitert das Forschungscluster „Datengetriebene Systeme“ (data-driven systems) als dritter Forschungsschwerpunkt das Portfolio der Hochschule Koblenz. Der interdisziplinäre Schwerpunkt betrachtet biologische, technische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Systeme. Er folgt einem ganzheitlichen, datengetriebenen Ansatz, von der Gewinnung, Übermittlung, Modellierung und Analyse von Daten bis zu deren Einfluss auf Prozesse und Entscheidungen.

  • Foto: Hochschule Koblenz/Gloger

In seiner bereits 7. Ausschreibungsrunde hatte die HRK im Sommer letzten Jahres den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW) die Möglichkeit gegeben, Anträge für die Aufnahme neuer Forschungsschwerpunkte einzureichen. Die Hochschule Koblenz konnte mit dem Themenkomplex „Datengetriebene Systeme“ die Arbeitsgruppe Forschung der HRK-Mitgliedergruppe FH/HAW überzeugen. Zu den Voraussetzungen für einen Eintrag in der Forschungslandkarte gehören unter anderem die Zahl der kooperierenden Professuren, die jährlichen wissenschaftlichen Publikationen und Patentanmeldungen sowie die eingeworbenen Drittmittel.

Der neue Forschungsschwerpunkt der Hochschule Koblenz vereint Forschende aus den Fachgebieten Informatik, System- und Elektrotechnik, Maschinenbau und Produktionstechnik, Mathematik, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und geht auf eine Initiative des Interdisziplinären Instituts für Digitalisierung (IIFD) zurück. „Wie schon die beiden anderen Forschungsschwerpunkte ist ‚Datengetriebene Systeme‘ ein fachbereichsübergreifendes Cluster, in dem Forschende aus verschiedenen Fachbereichen und über alle Hochschulstandorte hinweg in Projekten zusammenarbeiten“, betont Prof. Dr. Dietrich Holz, „gerade durch die Interdisziplinarität lassen sich Synergien nutzen und führen nicht selten in einem sehr produktiven Prozess zu ungewöhnlichen und wissenschaftlich gut nutzbaren Ergebnissen.“

Eines der jüngsten Projekte des neuen Forschungsschwerpunktes ist das vom Land Rheinland-Pfalz geförderte Projekt "Ein Software-Tool für COVID-19-bedingte Schwerstschadensereignisse in Krankenhäusern" unter der Leitung des Biomathematikers Prof. Dr. Maik Kschischo vom Fachbereich Mathematik und Technik am RheinAhrCampus Remagen der Hochschule Koblenz. Dabei kooperiert sein Team mit der Marienhaus Kliniken GmbH und dem Kölner Start-Up damedic. Das System soll dabei helfen, kritische Krankheitsverläufe frühzeitig zu identifizieren, damit die Behandelnden entsprechend agieren können. In den kommenden Monaten werden zahlreiche Patientendaten erhoben und ausgewertet, um statistisch bestimmte Triggerpunkte, also Auslöser, mithilfe von Daten zu rekonstruieren. In einem zweiten Schritt entsteht dann mit Methoden Künstlicher Intelligenz (KI) eine vorausschauende Software, die fortwährend Patientendaten auswertet und gegebenenfalls warnt.

Das von der Hochschule Koblenz begleitete, am 1. September 2020 gestartete Innovationsforum „5GrT - 5G-ready Testfeld im nördlichen Rheinland-Pfalz“ lässt sich ebenfalls unter dem neuen Forschungsschwerpunkt einordnen. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Innovationsforum hat eine Dauer von neun Monaten. Ziel ist ein offenes Netzwerk zwischen regionalen Firmen und Forschungseinrichtungen, um das Verständnis von 5G mitsamt einhergehender Technologien und Anwendungen zu erarbeiten und entsprechendes Knowhow im nördlichen Rheinland-Pfalz zu verankern. „Bei datengetriebenen Systemen muss immer auch die Infrastruktur für den Datentransport mitgedacht werden. Im Endkundenbereich ist LTE-Mobilfunk über Smartphones schon omnipräsent, in naher Zukunft wird mit 5G der Mobilfunk auch in der Industrie aufgrund seiner Flexibilität rasant an Bedeutung gewinnen“, erklärt Projektleiter Prof. Dr. Wolfgang Kiess. „Langfristig soll aus dem Projekt heraus deswegen ein physikalisches 5G Testfeld etabliert werden, das den regionalen Unternehmen einfachen Zugang zur 5G-Technologie und -Expertise und somit auch zum neuen Forschungsschwerpunkt bietet“, so Kiess weiter.

Gleich zwei Projekte von Prof. Dr. Lutz Thieme, der am RheinAhrCampus Remagen der Hochschule Koblenz im Fachbereich Wirtschafts- und Sozialwissenschaften lehrt, sind Teil des neuen Forschungsschwerpunktes. „Digitaler Sportstättenatlas“ und „Bäderleben“ heißen die beiden Projekte, die vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) gefördert werden. Während das Citizen Science Projekt „Bäderleben“ darauf abzielt, eine gesicherte Datenbasis zur Bäderinfrastruktur in Deutschland zu schaffen, dreht sich im „Digitalen Sportstättenatlas“ alles rund um die Erstellung einer Expertise zum Aufbau eines digitalen Sportstättenatlas, der möglichst alles vorhandenen Sportstätten im Bundesgebiet umfassen soll. „Beide Projekte sollen dabei helfen, Sportorganisationen, Bürgerinnen und Bürgern, Politik und Co. die Möglichkeit zu geben, auf öffentlich zugängliche und nachprüfbare Daten zuzugreifen. Bislang haben wir durch die Integration vorhandener Daten, eigener Recherchen und sogenannter ‚Badpaten‘ beispielsweise bereits Daten von mehr als 9500 Wassersportstätten gesammelt“, erklärt Thieme, der unter anderem in den Lehrgebieten Sportmanagement und Sportökonomie tätig ist.

Ebenfalls zum neuen Forschungsschwerpunkt gehört das 2015 von Prof. Dr. Walter Wincheringer aus dem Fachbereich Ingenieurwissenschaften an der Hochschule Koblenz gegründete Digitale Produktionslabor (DPL). Damit verfolgen er und sein Team das Ziel, vom Arbeitsgang am einzelnen Arbeitsplatz, über die Produktionslinie bis hin zur kompletten Fabrik, inklusive der Intralogistik, alle wesentlichen Prozesse in der virtuellen Welt abzubilden, zu planen, zu simulieren und zu optimieren. Hierzu bedarf es umfangreicher Daten und einer dynamischen Abbildung der Systeme in einem Modell, um nach einer detaillierten Validierung und Verifikation auf den Ergebnissen abgesicherte Entscheidungen zu treffen. „Im Zeitalter der Digitalisierung und Globalisierung stellen die technologischen Veränderungen, der Kostendruck, die Individualisierung der Produkte, bis hin zur Losgröße eins und die damit steigende Variantenkomplexität die Produzenten vor immer größere Herausforderungen“, weiß der Maschinenbauprofessor, der mit dem DPL schon die unterschiedlichsten Partner aus der Industrie bei der Optimierung ihrer Prozesse unterstützt hat.

Das Ziel, Arbeitsabläufe und Prozesse zu optimieren, verfolgt auch Prof. Dr. Bert Leyendecker aus dem Fachbereich Wirtschaftswissenschaften mit seiner Modellfabrik, die ebenfalls Teil des neuen Schwerpunkts ist. Anhand modellhafter Wertschöpfungsketten im Miniaturformat und diverser Planspiele simuliert das betriebswirtschaftliche Labor operative Abläufe. „Ziel ist es, einen experimentellen Freiraum für Studierende und Unternehmen zu schaffen, um sich auf interaktive Art mit betriebswirtschaftlichen Prozessen auseinander zu setzen, diese zu analysieren und zu optimieren“, so Leyendecker. Das Konzept vereine wichtige Teilgebiete der Betriebswirtschaft wie Organisation, Beschaffung, Produktion, Logistik und Wirtschaftsinformatik und fördere so eine vernetze Denkweise über die einzelnen Fachdisziplinen hinaus. Moderne IT-Systeme wie SAP, BIC, Plant Simulation, Mintab und VIS Table unterstützen die Simulation und Reflexion der Prozesse.