Aktuelle Debatten bei der Fachtagung „Rechtspopulismus in der Kita? Umgang mit Rassismus und Diskriminierung“ an der Hochschule Koblenz
01.09.2017
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KOBLENZ/MAINZ. Kein Kind wird mit Vorurteilen geboren. Aber wie gehen Erzieherinnen und Erzieher in einer Kindertagesstätte beispielsweise damit um, wenn ein Kind plötzlich Hakenkreuze in seinen Bildern malt? Wenn Eltern nicht wollen, dass ihre Kinder Umgang mit geflüchteten Kindern haben? Die Ursachen und Motive, aber auch konkrete Fälle von Rechtspopulismus, Rassismus und Diskriminierung in Kindertagesstätten standen im Zentrum der Fachtagung „Rechtspopulismus in der Kita? Umgang mit Rassismus und Diskriminierung“, an der rund 100 Personen teilnahmen. Diese Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Bildung Rheinland-Pfalz, dem Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung (LSJV) und dem Institut für Lehrerfort- und Weiterbildung Rheinland-Pfalz (ILF), die sich an Fach- und Leitungskräfte in Kindertagesstätten, Fachberatungen und Trägervertretungen richtete, fand am RheinMoselCampus der Hochschule Koblenz statt Das Institut für Forschung und Weiterbildung (IFW) der Hochschule Koblenz war als Kooperationspartner an der Konzeption der Tagung beteiligt und betreute sie organisatorisch.
In der Eröffnungsrunde, moderiert von Veronika Bergmann (LSJV) und Joachim Jung-Sion (ILF), betonte Bildungsstaatssekretär Hans Beckmann: „Demokratieerziehung beginnt schon in der Kita. In Kinderkonferenzen oder beim Aufstellen von Gruppenregeln tauschen die Kinder Meinungen aus und kommen gemeinsam zu einer Entscheidung. Die Erzieherinnen und Erzieher leisten dabei hervorragende Arbeit. Das Bildungsministerium stellt in den Haushaltsjahren 2017 und 2018 erstmals je 65.000 Euro speziell für Demokratieerziehung und Menschenrechtsbildung in Kindertagesstätten bereit. Damit planen wir im nächsten Jahr unter anderem eine Fachtagung zum Thema Demokratie in Kitas sowie Fortbildungen und Workshops.“
Detlef Placzek, LSJV-Präsident und während des großen Zuzugs in den Jahren 2015/16 Leiter des rheinland-pfälzischen Führungsstabs Flüchtlingshilfe, stellte fest: „Als Leiter der Flüchtlingshilfe hat mich in großem Maße das sehr große Engagement der Hilfsorganisationen und der Bürger vor Ort beeindruckt – gerade in dieser Zeit war ich besonders stolz auf unser Land.“
Der Präsident der Hochschule Koblenz und gastgebende Hausherr, Prof. Dr. Kristian Bosselmann-Cyran, hob die Wichtigkeit der Veranstaltungen hervor: „Als Historiker weiß ich, wie sehr Populismus und in seiner Folge Rassismus eine Gesellschaft ins Verderben ziehen kann. Die Hochschulen haben eine große Verantwortung, sich in Forschung und Lehre mit Vehemenz dagegen zu stellen. Wissenschaftliche Erkenntnis und Fortschritt setzen Vielfalt voraus – Populismus und insbesondere Rechtspopulismus hingegen sind wissenschaftsfeindlich.“
Der für den Visitationsbezirk Koblenz und damit für viele Kindertagesstätten in der Trägerschaft der katholischen Kirche zuständige Weihbischof Jörg Michael Peters sagte: „Die christliche Botschaft gibt die Linie vor und spricht von der Würde des Menschen, woher dieser auch kommen mag.“ Er rief zur Achtsamkeit auf: „Rassismus kommt oft sehr niedrigschwellig daher, zum Beispiel in einzelnen Redewendungen. Es gilt, im alltäglichen Leben ein Gespür dafür zu entwickeln.“
Zwei Impulsvorträge stimmten auf die anschließenden Workshops ein. Prof. Dr. Stephan Bundschuh vom Fachbereich Sozialwissenschaften der Hochschule Koblenz und ausgewiesener Experte für Kinder- und Jugendhilfe im Kontext von Rechtsextremismus und Migrationspädagogik, sprach zum Thema „Warum denken und handeln Menschen rassistisch?“ Er betonte: „Sich rassismuskritisch zu verhalten, muss gelehrt und gelernt werden. Kritische Sensibilität gegenüber Anderen, aber auch gegenüber meinem eigenen Denken und Handeln zu vermitteln, die Erfahrung meiner eigenen Verletzlichkeit, aber auch Verletzungsmacht zu Bewusstsein zu bringen, ist eine allererste Aufgabe von Erziehung.“ Im zweiten Impulsvortrag stellten Dr. Dominique Gillebeert (Migrations- und Integrationsbüro der Stadt Ingelheim) sowie Nadine Liebers (Leiterin des Amtes für Familie, Bildung und Sport) die Strategien der Stadt Ingelheim vor, mit dem Thema Rechtsextremismus umzugehen. „Ingelheim zeigt Gesicht“ lautet der Name ihres Projektes, bei dem Erzieherinnen, Erzieher, Eltern und Kinder in Kindertagesstätten gemeinsam daran arbeiten, Vorurteile gar nicht erst entstehen zu lassen, beispielsweise durch das aktive Aufeinander-Zugehen und Kennenlernen der jeweils anderen Kultur.
In den folgenden fünf Workshops bot der Fachtag vielfältige Impulse und die Möglichkeit, engagiert und konstruktiv ins Gespräch zu kommen. Die Workshops thematisierten „Rassismuskritik als Referenzrahmen für die Praxis“, „Erziehungspartnerschaft mit schwierigen Eltern“, „Kita-Teams im Spannungsfeld zwischen persönlicher Einstellung und professioneller Haltung“, „Rechte Musik in Deutschland und Erkennungsmerkmale der rechten Szene“ sowie „Trägerverantwortung und –positionierung“.
In der abschließenden Tagungsbeobachtung zeigte sich Heiko Klare, Sprecher des Bundesverbands Mobile Beratung e.V., begeistert von dem großen Engagement und der Kompetenz der Teilnehmenden, denen er einen reflektierten Umgang mit dem gesellschaftlichen Phänomen Rechtspopulismus, aber auch mit den eigenen Vorstellungen bescheinigte. Er forderte die Anwesenden dazu auf, sich nicht als „Weltverbesserer“ zu überfordern, sondern sich vor Ort im jeweiligen Wirkungsbereich mit realistisch umsetzbaren Maßnahmen für ein vorurteilsfreies Miteinander einzusetzen.