Partizipative Erinnerungspädagogik in Koblenz und Umgebung (PEPiKUm)

Das Wichtigste auf einen Blick

Kurztitel: PEPiKUm

Laufzeit: 1. Juli 2020 - 30. Juni 2024

Förderung: Das Projekt PEPiKUm (Laufzeit 1.7.2020-30.6.2024) wird im Rahmen des Programms Forschung an Fachhochschulen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

Kooperationspartner*innen: Wissenschafts-Praxis-Kooperationspartner sind die Jugendbegegnungsstätte im Haus Metternich, die Jugendpflege der Verbandsgemeindeverwaltung Rhein-Mosel (07.2020 - 06.2021), die DGB Region Koblenz – DGB Jugend, die Beigeordnete Schul- und Kulturdezernentin der Stadt Koblenz, der Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (Stamm von Helfenstein), das Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit (IDA) e.V. sowie die Kinder- und Jugendförderung des Jugendamts der Stadt Koblenz. Zudem sind die Bergische Universität Wuppertal und die Universität Koblenz-Landau mit jeweils einer Promotion an dem Projekt beteiligt.

Hintergrund des Projekts

Jugendliche unterschiedlicher Lebenslagen haben nur geringen Einfluss auf die gesellschaftlich dominanten Erinnerungsnarrative. Ihre Lebenswirklichkeiten und Bedürfnisse werden wenig wahrgenommen. Dies führt zu kollektiven Entfremdungs- und Ablehnungsprozessen. Um diesen konstruktiv zu begegnen, ist ein pluraler Zugang zur heterogenen Erinnerung und Gestaltung von Geschichte, Gegenwart und Zukunft dieser Gesellschaft nötig. Die Erinnerung an Nationalsozialismus und Holocaust führt nur dann zu einer produktiven Aufarbeitung und einem kritischen gegenwartsbezogenen Gesellschaftsverständnis, wenn Jugendliche aus ihren individuellen Perspektiven heraus selbst tätig werden und ihnen dafür Raum gegeben wird. 

(Junge) Menschen werden zumeist als Objekte von Forschung angesehen, ohne dass sie selbst an der Datenerhebung, Auswertung, Interpretation und Publikation von Ergebnissen beteiligt sind. Spannend scheint die Frage zu sein, wie sie selbst zu Forschenden werden können, welche Chancen sich daraus ergeben, aber auch wie dies mit spezifischen Güterkriterien oder Standards qualitativer Sozialforschung vereinbar ist. Das Projekt soll hier einen Beitrag zur Methodendiskussion leisten. 
 

Ziele des Projekts

Vor dem Hintergrund der Entwicklung zur und Anerkennung als Migrationsgesellschaft sowie aktueller geschichtsrevisionistischer Tendenzen in Teilen von Politik und Gesellschaft erhält die Frage, wie sich gesellschaftliches Erinnern verbunden mit gesellschaftlichen Veränderungen im Laufe der Zeit wandelt, in Deutschland eine besondere Aktualität. In diesem Zusammenhang verfolgt das Projekt zwei Ziele. Erstens sollen durch eine partizipativ angelegte Forschung neue Formen des Erinnerns entwickelt werden. Diese werden als plurale Rekonstruktionen der Vergangenheit(en) verstanden, die mit dem Erlernen von Kritik an Diskriminierungsstrukturen, Gegenwartsrassismus sowie ungleichen Lebenslagen verbunden werden. Damit werden hegemonial-nationale Traditionen des Erinnerns irritiert und erweitert, ohne den Zielen des Erinnerns an den Holocaust zu widersprechen. Zweitens sollen junge Menschen dazu befähigt werden, sich in ihren individuellen Zugehörigkeiten zu dieser Gesellschaft natio-ethno-kulturellen Zuschreibungen im Sinne pauschalisierender Ablehnungskonstruktionen bzw. Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu entziehen.

Das Projekt radikalisiert das Vorgehen in Wissenschaft und Praxis der Jugendarbeit unter partizipativem und pluralem Aspekt. Im Kern geht es um die Frage, wie eine partizipative Rekonstruktion der Vergangenheit mit dem Erlernen von Kritik an aktuellen Diskriminierungsstrukturen, rassistischen Ausgrenzungen sowie ungleichen Lebenslagen so verbunden werden kann, dass es Jugendlichen gelingt, unter Wahrung ihrer Pluralität und Diversität ein gemeinsames, in sich differenziertes Erinnern kreativ zu erzeugen und eine gemeinsame gleichberechtigte Zukunft anzuvisieren. Die Forschung im Projekt verbindet Fragen der Jugendbildung mit Fragen einer pluralen Migrationsgesellschaft und -pädagogik und ihrer gemeinsamen Narrative hinsichtlich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Um diese Pluralität der Erinnerung im Projekt selbst erzeugen und abbilden zu können, wird im Forschungsprozess die Partizipation der Zielgruppen gewährleistet. Dies impliziert, dass seitens der Zielgruppen neue Themen eingespeist und neue methodische Zugänge erörtert werden. Insofern ist das Projekt bei konsequenter Umsetzung der partizipativen Forschungsmethode notwendig erkenntnis- und ergebnisoffen. 
 

Methodisches Vorgehen

Die pädagogische Praxisarbeit im Handlungsfeld Erinnerungsarbeit wird mit bewährten und neuen Methoden der Jugendarbeit umgesetzt: Soziale Gruppenarbeit, Sozialraumarbeit, Medienpädagogik, Biografiearbeit, erinnerungspädagogische Methoden, Gedenkstättenbesuche, Präventionsansätze, vorurteilsbewusste und rassismuskritische Methoden. 
Der partizipative Ansatz umfasst alle Forschungs- und Praxisphasen. Sowohl bei der Datenerhebung als auch der Auswertung werden die jugendlichen Akteur*innen und Praxispartner aktiv einbezogen. Sie sind an Entscheidungen über Themen, Fragestellungen, Formate, Forschungsmethoden, Auswertungen und Publikationen beteiligt. Bei der Partizipativen Forschung geht es darum, Jugendliche als Expert*innen ihrer Lebenswelt und ihrer kulturellen Erinnerungen an Forschungsprozesse heranzuführen, die Praktiken des Erinnerns sichtbar  machen. Konkret bedeutet dies, dass leicht zugängliche Datenerhebungsmethoden eingesetzt werden (Photovoice,  Leitfadeninterviews der Jugendlichen untereinander), die durch klassische Methoden der qualitativen empirischen Sozialforschung ergänzt werden (Gruppendiskussionen, leitfadengestützte Interviews).