Forschende von Hochschule Koblenz und Unimedizin Göttingen entdecken neuen Mechanismus für Chromosomen-Fehler in Krebszellen

Warum wachsen Krebszellen unkontrolliert und widerstehen Anti-Tumor Therapien? Krebsforschende der Universitätsmedizin der Georg-August-Universität Göttingen sowie ein Biomathematik-Team vom RheinAhrCampus Remagen der Hochschule Koblenz haben gemeinsam einen neuen Mechanismus für Genomveränderungen als treibende Kraft der Tumorentwicklung entdeckt: Mehr Startstellen der DNA-Vervielfältigung führen in Krebszellen zu Fehlverteilungen von genetischen Informationen. Die Forschungsergebnisse sind nun in der renommierten amerikanischen Fachzeitschrift "Cell Reports" veröffentlicht worden.

  • Prof. Dr. Holger Bastians (links) und Prof. Dr. Maik Kschischo. (Quelle: fsk photography/Kimmel; privat)

  • Normalzell-Chromosomen (links) und Krebszell-Chromosomen (rechts). (Abbildung: umg/Bastians)

Krebszellen halten sich bei der Zellteilung nicht so genau an die sonst dafür geltenden strengen Regeln. Sie verlieren dabei schon mal ein oder zwei Chromosomen oder erhöhen die Zahl beliebig. So zeigen Krebszellen viele verschiedene Chromosomen-Veränderungen, die sich mit der Zeit immer weiterentwickeln. Diese sogenannte chromosomale Instabilität ist typisch für Krebszellen. Sie trägt entscheidend dazu bei, dass Tumoren aggressiv und unkontrollierbar wachsen und eine Resistenz gegenüber Anti-Krebs-Therapien entwickeln. Bisher ist nur wenig verstanden, wie diese Chromosomen-Veränderungen zustande kommen und welche Tumorfördernden Gene hierbei eine Rolle spielen.

Einem Forschungsteam der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) unter Leitung von Prof. Dr. Holger Bastians vom Institut für Molekulare Onkologie und vom Göttinger Zentrum für Molekulare Biowissenschaften ist es zusammen mit Biomathematikern und Biomathematikerinnen um Prof. Dr. Maik Kschischo vom Fachbereich Mathematik und Technik der Hochschule Koblenz gelungen, neue Erkenntnisse über die Entstehung der chromosomalen Instabilität in Krebszellen zu gewinnen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten zeigen, dass bestimmte Gene als Schlüssel-Regulatoren für die Erzeugung von chromosomalen Abnormalitäten und damit für die Tumorentwicklung agieren.

„Diese Gene regulieren die Anzahl von Startstellen der Chromosomen-Vervielfältigung in einem wichtigen Schritt der Zellteilung, der DNA-Replikation. Die neu-gefundenen „Startstellen“-Gene sind als neue Klasse von Tumor-fördernden Onkogenen einzuordnen“, sagt Bastians, „es ist uns zudem gelungen, Methoden zu entwickeln, die überzähligen Replikations-Startstellen in Krebszellen wieder zu reduzieren. Dies führte zu einer Unterdrückung der Genom-Instabilität und hat damit eine große Bedeutung für die Entwicklung neuer Therapie-Konzepte zur Behandlung von Krebs“.

„Das Projekt zeigt, wie erfolgreich die Biomathematik und die Zellbiologie miteinander kooperieren können“, freut sich Kschischo, der am RheinAhrCampus Remagen der Hochschule Koblenz auch den Studiengang Biomathematik leitet. „Einerseits arbeiten wir Biomathematiker ausschließlich am Computer mit mathematischen sowie statistischen Modellen. Wir sind daher darauf angewiesen, unsere Ergebnisse in einem Experiment zu überprüfen. Andererseits können wir unseren experimentell arbeitenden Kolleginnen und Kollegen helfen, ihre Experimente viel zielgerichteter zu planen“, so Kschischo weiter. Das erfordere eine enge Kooperation und auch eine enge Zusammenarbeit über die Fachgrenzen hinweg, was mit Professor Bastians‘ Forschungsgruppe hervorragend funktioniere.

Die Forschungen wurden durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen der Forschungsgruppe 2800 „Chromosomen-Instabilität: Wechselwirkungen von DNA-Replikationsstress und mitotischer Fehlfunktion“ (FOR2800) gefördert und im Dezember 2022 im "Cell Reports" veröffentlicht.