Ein Studium in Deutschland – Angebote für Geflüchtete an der Hochschule Koblenz

14.12.2017

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  • Ein Deutschkurs bereitet an der Hochschule Koblenz Geflüchtete auf das Studium vor. Doch das ist nur einer von vielen Bausteinen zur Integration von Flüchtlingen.

  • Hussam Alshawakh ist überglücklich, endlich sein Studium in Deutschland fortsetzen zu dürfen.

KOBLENZ. Um dem Krieg in seiner syrischen Heimat zu entkommen, flüchtete Hussam Alshawakh vor zwei Jahren nach Deutschland – und musste dafür sein bisheriges Leben und sein Architekturstudium aufgeben. Nach einer schwierigen Zeit mit vielen Stolpersteinen ist er nun überglücklich, sein Studium fortsetzen zu können – als Student der Hochschule Koblenz, die Menschen wie ihn mit zahlreichen Hilfsangeboten unterstützt.

Am 1. Mai 2015 hat der aus Aleppo stammende Hussam sich gemeinsam mit seinem Vater und seinem älteren Bruder auf die gefährliche Reise in eine bessere Zukunft begeben. Seine Mutter und seine beiden jüngeren Brüder kamen ein Jahr später im Rahmen des Familiennachzugs nach Deutschland. 22 Tage war Hussam auf seiner Flucht unterwegs, mit dem Boot nach Griechenland, über Makedonien, Serbien und Ungarn – die Angst der ständige Begleiter. Nur zehn seiner fünfzig Mitreisenden haben es ans Ziel geschafft. Doch so schlimm die Erfahrungen auf der Flucht waren, am schwersten fand Hussam das erste Jahr nach seiner Ankunft in Deutschland. "Meine Aufenthaltsgenehmigung habe ich erst nach einem Jahr erhalten. Ein ganzes Jahr ohne Sprachkurs, ohne Studienmöglichkeit, ohne Arbeit, ohne Freunde, ohne Beschäftigung, ohne richtiges Leben, das war schon hart." Auf der Straße habe er oft das Gefühl gehabt, durchsichtig zu sein. Dass er heute so hervorragend Deutsch spricht, ist seinen eigenständigen Bemühungen zu verdanken, denn der Deutschkurs wurde erst nach einem Jahr bewilligt.

So wie Hussam Alshawakh haben viele Geflüchtete in ihrer Heimat das Abitur gemacht, ein Studium angefangen oder sogar schon abgeschlossen. Deutsche Hochschulen haben in den letzten Jahren zahlreiche Angebote entwickelt, um Geflüchteten wie ihm den Zugang zum deutschen Bildungssystem zu erleichtern und ein Studium in Deutschland zu ermöglichen. Doch die jungen Menschen haben nach wie vor viele Hürden zu überwinden, die andere Bewerberinnen und Bewerber nicht kennen. So sind bei der Bewerbung um einen Studienplatz Zeugnisse und Bescheinigungen über das Abitur oder das bisherige Studium nachzuweisen. Was aber tun, wenn wie im Fall von Hussam die Hochschule durch den Krieg zerstört wurde? Da hilft die konkrete Unterstützung im Einzelfall. "Die Zahl der Bildungsausländer hat sich in den vergangenen Semestern fast verdoppelt. Um ihnen den Einstieg in unser Bildungssystem und den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern, bauen wir unsere Unterstützungsangebote seit zwei Jahren kontinuierlich aus", erläutert Anne Quander, Leiterin des International Office.

Von allen Bildungsausländern seien Syrer die zweitstärkste Gruppe: "Viele von ihnen sind den steinigen Weg auch ohne Hilfsprogramme gegangen. Ich bin immer wieder beeindruckt, wie viel Biss und Durchhaltevermögen die Geflüchteten zeigen", berichtet Pia Dekorsy, die seit Oktober an der Hochschule Koblenz Flüchtlinge zu Studienmöglichkeiten, Zugangsvoraussetzungen und Hilfsangeboten berät. Oft seien die Zufluchtsuchenden aber auch überfordert von den vielen Informationen. "Viele Dinge, die für Einheimische selbstverständlich sind, können für die Geflüchteten problematisch sein. Oft sind es nur kleine, praktische Hilfestellungen, die an dieser Stelle einen großen Unterschied machen", betont die Flüchtlingsbeauftragte. Das bestätigt auch Hussam, der seine Bewerbung um einen Studienplatz gemeinsam mit dem International Office ausgefüllt und von dort zu jeder Zeit Hilfe und Motivation erfahren hat: „Es war einfach toll zu merken, dass die Hilfsangebote wirklich ernst gemeint sind.“

Ein Intensiv-Deutschkurs, den das Centre for Communication Studies (CCS) der Hochschule Koblenz seit zwei Semestern organisiert, ist stark nachgefragt und zeigt bereits erste Erfolge. Fast 50 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind mittlerweile an der Hochschule Koblenz eingeschrieben. Der gebührenfreie Kurs ist so angelegt, dass die Geflüchteten bereits vor der Bewerbungsphase das geforderte Deutschniveau erreichen und sich mit dem Zertifikat für das nächste Semester bewerben können. Parallel dazu wird den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Gasthörerschaft ermöglicht, mit der sie schon in die gewünschten Vorlesungen hineinschnuppern können. Der nächste Kurs startet im März 2018. Bis zum 28. Januar können sich Interessierte dafür bewerben.  

Ein weiterer hilfreicher Baustein, mit dem die Hochschule Koblenz den Neuankömmlingen die Integration erleichtern möchte, ist das Buddy-Programm, in dem Studierende höherer Semester die Geflüchteten im Studium begleiten, das studentische Leben mit ihnen erkunden und Alltagshilfe leisten. Im monatlich stattfindenden Café Multicultural kommen deutsche und internationale Studierende in lockerer Atmosphäre zusammen, genießen internationale Speisen und tauschen sich in verschiedenen Sprachen aus. Jeden Monat steht ein anderes Land im Fokus. Ergänzend dazu bietet das International Office der Hochschule regelmäßig Informationsveranstaltungen zu unterschiedlichen Themen statt, in denen es für die internationalen Studierenden um wichtige Themen geht, beispielsweise die Studienfinanzierung oder auch um mögliche Alternativen, falls es mit der Zulassung zum Studium nicht klappt.

Gerade die rechtlichen Fragestellungen und behördlichen Formalitäten sind für geflüchtete Menschen, besonders wenn sie noch mit sprachlichen Hürden zu kämpfen haben, schwierig. Mit steigenden Flüchtlingszahlen haben sich daher in Deutschland sogenannte Refugee Law Clinics gegründet. Hier können sich Migranten und Geflüchtete kostenlos beraten und bei Behördengängen unterstützen lassen. Derzeit werden an der Hochschule Koblenz die Möglichkeiten ausgelotet, eine solche oder ähnliche Beratung in Koblenz zu etablieren. Für Koblenz stellt sich die Herausforderung, ein Beratungsangebot ohne eine begleitende juristische Fakultät auf die Beine zu stellen. Ein erster Kontakt zu den Refugee Law Clinics in Trier, Mainz, München und Gießen, die in der Aufbauphase beratend zur Seite stehen, ist bereits hergestellt.

Die Maßnahmen zur Integration werden vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) im Rahmen des Integra-Programms finanziell gefördert. Das Programm ist Teil eines umfassenden Maßnahmenpakets des DAAD, für das das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bis 2019 insgesamt 100 Millionen Euro bereitstellt, um es studierfähigen Geflüchteten zu ermöglichen, an deutschen Hochschulen Fuß zu fassen.

Hussam ist seinen Weg auch ohne Rechtsberatung und Deutschkurs gegangen, hätte sich solche Angebote aber sehr gewünscht und freut sich über die heute zahlreichen Hilfestellungen an deutschen Hochschulen. Was sich Hussam für die Zukunft wünscht? Normalität und noch mehr Aktivitäten für Geflüchtete, damit diese sich nicht einsam fühlen und sich in die Studierendenschaft integrieren können. Um andere Geflüchtete auf ihrem Weg zu unterstützen und auch selbst weiterhin Unterstützung zu erfahren, hat Hussam sich ins Buddyprogramm der Hochschule aufnehmen lassen und freut sich schon auf das nächste Café Multicultural, das am 20. Dezember stattfindet.