Erfahrungsbericht Jonas Sevenich

1. Motivation zur Auslandsphase und Entscheidung für das Zielland

Um ein Studium erfolgreich abzuschließen bedarf es Disziplin und Durchhaltevermögen. Wer sich dabei jedoch keine Zeit einräumt, „nach rechts oder links zu schauen“, um das Gelernte zu verarbeiten und anzuwenden, wird sich vielleicht früher oder später ärgern. Eine Möglichkeit dies zu tun, ist es ein Semester in einem fremden Land zu verbringen. Ich habe mich sogar dazu entschieden, einen für mich nahezu unbekannten Kontinent zu entdecken.
Fremde Länder und Kulturen reizen mich schon seit meiner Kindheit, als ich in Bildbänden zum ersten Mal über das Leben außerhalb meiner Heimat las. Besonders Afrika hat es mir dabei aufgrund der wunderschönen Natur- und Tierwelt und der lebensfrohen Menschen angetan.
Zu Beginn meines Studiums in Umwelt-, Wasser- und Infrastrukturmanagement hörte ich von der Möglichkeit eines Auslandsaufenthaltes und beschloss, das International Office aufzusuchen, sobald ich Fuß im Studium gefasst habe.
Aus finanzieller Sicht ergibt es Sinn, sich bei der Wahl einer Hochschule auf Partnerhochschulen der Hochschule Koblenz zu beschränken, da einem die im Ausland sehr teuren Studiengebühren erlassen werden. Ich schwankte lange zwischen Kolumbien und Südafrika. Letztlich war ausschlaggebend, dass in Südafrika Englisch gesprochen wird. Die Herausforderung mit Spanisch eine komplett neue Sprache zu erlernen reizte mich zwar auch sehr, aber Klausuren in einer gerade erst erlernten Sprache zu schreiben erschien mir in der damaligen Situation als zu anspruchsvoll. Außerdem ist ein verbessertes Englisch auch ein schöner Nebeneffekt, welcher einem in einer global ausgerichteten Welt zugutekommt.

2. Organisation des Auslandsaufenthaltes 

Die Organisation eines Auslandssemesters ist nicht zu unterschätzen und sollte frühzeitig begonnen werden.
Ich hatte meinen ersten Termin im International Office ca. 1 Jahr vor Beginn meiner Reise. Über den OLAT-Kurs „Go Out - Wege ins Ausland“ kann man einen Termin für ein Erstgespräch ausmachen. Ich habe damals einen Termin bei Frau Veronika Stumm bekommen, welche mir fortan bei allen organisatorischen Fragestellungen Auskunft geben konnte.
Für die Hilfe bei der fachlichen Organisation hat jeder Fachbereich einen oder mehrere Ansprechpartner auf der Fachbereichs Homepage gelistet. In meinem Fall (Fachbereich bauen-kunst-werkstoffe) waren dies Prof. Dörte Ziegler und Prof. Andreas Laubach. Auch hier bietet es sich an, spätestens ein Jahr vor Reisebeginn Kontakt aufzunehmen.
Ein halbes Jahr vor Reisebeginn (nach Erhalt der Zusage der Auslandshochschule) startet der intensive Teil der Vorbereitung. Frau Stumm hat damals alle Südafrika-Outgoer zu sich ins Büro eingeladen, um eine Organisationscheckliste auszugeben.

Nachfolgend gebe ich einen Überblick über die Organisation meines Auslandssemesters:

Finanzierung:

Ich habe für Südafrika mit monatlichen Kosten von 600 bis 800 Euro (inkl. Miete und Unternehmungen) gerechnet. Damit man jedoch nicht zu sehr aufs Geld schauen muss, würde ich empfehlen 1000 Euro pro Monat einzuplanen. Hier kommen dann noch die Kosten für Hin- und Rückflug, sowie die im Vorfeld anfallenden Organisati-onskosten (Visum, Fahrt nach Berlin, etc.) hinzu.
Um diesen finanziellen Aufwand stemmen zu können, habe ich mich frühzeitig bei verschiedenen Personen (z.B. Professoren, ehem. Outgoer) über in Frage kommende Stipendien informiert. Hierbei ist es auch empfehlenswert sich Rat im International Office zu holen.
Ich habe mich für das Förderprogramm HAW.International - Semesteraufenthalte für Studierende des DAAD [Deutscher Akademischer Austauschdienst] beworben, wel-ches meiner Meinung nach finanziell sehr lohnend ist. Der Bewerbungsprozess ist sehr aufwendig und sollte deshalb frühzeitig gestartet werden. Informationen zu Bewer-bungsfristen bekommt man auf der Homepage des DAAD oder im International Office der HS Koblenz. Wie in meinem Fall bekommt nicht jeder Bewerber eine Zusage auf Förderung. Deswegen ist es sinnvoll sich im International Office oder im Internet über die Bewertungskriterien zu informieren.
Meine zweite schriftliche Bewerbung ging an die Stipendienstiftung Rheinland-Pfalz und war erfolgreich. Ich erhielt eine Einmalzahlung im Wert von ca. 500 Euro.

Anreisevorbereitungen:

  • Bewerbung Auslandssemester im jew. Fachbereich der HS Koblenz
  • Bewerbung Auslandssemester an der ausländischen Hochschule (auf Englisch)
  • Stipendiensuche
  • Learning Agreement (Wahl der Kurse im Auslandssemester)
  • Unterkunft (Meine Unterkunft: bei Frau Barbara Herridge aus der Empfehlungsliste der DUT -> sehr schön und immer viele Exchange Students)
  • Flug buchen
  • Auslandskrankenversicherung (Empfehlung: deutsche und südafrikanische)
  • Visum (langwieriger Prozess mit eigner Checkliste und verpflichtender persönlichen Abgabe bei der südafrikanischen Botschaft in Berlin)
  • Impfungen (Termin beim Arzt ausmachen)
  • sinnvolle Kreditkarte (möglichst wenige Gebühren)

 

3. Die Gasthochschule – Campusleben, Besonderheiten, Kursauswahl, Hilfestellungen

Die Durban University of Technology (kurz DUT) ist auf mehreren Campus in der Stadt Durban und außerhalb in den Midlands verteilt.
Die technischen Studiengänge sind größtenteils auf dem Steve Biko Campus, welcher ziemlich zentral liegt, untergebracht. Möchte man diesen betreten, muss man erst seinen Studentenausweis einem Security am Drehkreuzschalter vorzeigen, da die Universität durch Wachpersonal abgesichert wird. Der Campus ist sehr weitläufig und bietet große Bäume und viele Wiesen zum Entspannen und Treffen mit Kommilitonen (siehe Abb. 2). Man findet hier auch eine Sporthalle mit verschiedenem Angebot an Uni Sport, eine Bibliothek und eine eigene Arztpraxis. Meine Mittagspause habe ich oft an eine der vielen Im-bissbuden im Eingangsbereich des Campus verbracht, an denen man südafrikanische Snacks zu für deutsche Verhältnisse niedrigen Preisen erhält.
Das Hauptgebäude hat ungefähr 10 Stockwerke und ist sehr weitläufig (siehe Abb. 3). Hier befinden sich die einzelnen Departments, Labore, Computerräume und Vorlesungsräume, welche anders als in Deutschland mit Gitterstäben vor der Eingangstüre gesichert sind. Generell ist das Gebäude optisch kein Hingucker, sondern erinnert eher an ein Gefängnis. Die Computerräume sind aus Sicherheitsgründen nur mit spezieller Zugangsberechtigung betretbar und das WLAN ist zwar vorhanden, aber nicht sonderlich Empfangsstark. Das alles hat mich jedoch nicht weiter gestört, da ich der Meinung bin, dass man diesbezüglich keine europäischen Standards erwarten sollte und es den Reiz eines Semesters in Afrika ausmacht, Unterschiede wahrnehmen und einordnen zu können. Das „Department of Food and Nutrition: Consumer Sciences“ bietet eine Mensa an, in welcher Studierende für andere Studierende kochen und servieren lernen. Das Essen hier war immer lecker, über die Preise kann man sich auch nicht beschweren und das wichtigste ist, man unterstützt seine Kommilitonen ihre Studieninhalte zu vertiefen und anwenden zu können.
Die Kurswahl war durch das Learning Agreement eigentlich schon im Vorfeld im Austausch mit der DUT vereinbart worden. Dennoch kam es vor Ort zu organisatorischen Unklarheiten, die man als Student einer europäischen Hochschule nicht gewohnt ist und meiner Meinung nach größtenteils an der südafrikanischen Mentalität liegen. Deutsche Tugenden wie Pünktlichkeit und ein durchgetakteter Alltag stehen hier dem südafrikanischen „Hakuna Matata“ gegenüber.
Wie auch die Hochschule Koblenz verfügt die DUT über ein International Office und uns wurde abhängig von der Studienrichtung eine Ansprechperson zugewiesen. Bei fachlichen Fragen wie beispielsweise Änderungen der Kurse half mir der Head of Department „Civil Engineering and Geomatics Durban“ Mr. G Hoosen, der uns sogar später noch zu einem traditionellen südafrikanisch-indischen Essen einlud.
Im Vorfeld wurden wir bereits durch Frau Stumm über das angespannte Verhältnis zwischen einheimischen Studenten und der DUT informiert. Dies führte sowohl in der Vergangenheit als auch im First Semester 2020 zu Protesten, welche auch gewaltsamer Natur sind. Von meinen Kommilitonen wurde mir berichtet, dass Studenten die DUT stürmten und während der laufenden Vorlesung Feuerwerkskörper gezündet haben. In den darauffolgenden Tagen hatte ich das Gefühl die DUT versucht das Problem klein zu reden. Wir wurden dazu ermutigt trotz der Unruhen zur Vorlesung zu kommen, was ich in den ersten Tagen nach dem Protest jedoch nicht tat. Wichtig ist hier auf sein Bauchgefühl und die Informationen, welche man von seinen südafrikanischen Kommilitonen bekommt zu vertrauen. Wie nahezu jedes Land der Erde, ist auch Südafrika von der COVID-19 Pandemie betroffen. Mitte März, einen Tag vor meinem ersten Test wurde die DUT geschlossen und die Tests auf ein unbestimmtes Datum verschoben.

4. Das Leben im Gastland – Tipps, Empfehlungen, Kosten, „Do’s und Don’ts“

Südafrika ist ein Land der Vielfalt und Disparitäten. Wer beispielsweise nach Kapstadt fliegt, entdeckt die europäische, touristische Seite Südafrikas, während jemand der Johannesburg erkundet aufpassen muss, in keiner „No-go-Area“ zu landen. Wenn man sich an Tipps und Ratschläge der Einheimischen, des International Office und ganz wichtig an sein Bauchgefühl hält, hat man aber auch in solchen Städten, zu denen auch Durban gehört, nichts zu befürchten.
Durban ist geprägt von indischen Einflüssen und bietet wiederum völlig andere Highlights als der Rest Südafrikas. Wer es liebt am Strand zu liegen und auf Wellen zu reiten ist hier zweifelsohne richtig. Das Zentrum sollte man aus Sicherheitsgründen genauso vermeiden, wie nächtliche Spaziergänge (vor allem am Strand). Generell sollte man sich immer in Gruppen bewegen. Als Hauptverkehrsmittel dient das Taxi oder ein Uber, welche jedoch preislich viel billiger als deutsche Pendants sind.
In Sachen Lebenserhaltungskosten liegt Südafrika unterhalb von Deutschland. Dennoch sollte man nicht den Fehler machen zu glauben, man müsse nicht auf sein Geld achten. Gerade am Anfang hat man den Währungsunterschied zwischen Euro und ZAR (Südafrikanischer Rand) noch nicht verinnerlicht und überschätzt sein Vermögen. Als Tipp kann ich empfehlen Buch über seine Ausgaben zu führen.

Nachfolgend füge ich eine Liste mit meinen Highlights in Durban und dem restlichen Südafrika an:

Durban:

  • ein Rugbyspiel der Sharks im Kings-Park-Stadion gucken (s. Abb. 7)
  • Botanischer Garten
  • Musgrave Shopping Centre
  • am Strand liegen und surfen (Durban oder Umdloti nördlich von Durban)
  • Ausflug in die Midlands:
    • Segelflug
    • Howick Falls
    • Nelson Mandela Capture Site mit Museum

Südafrika:

  • Kapstadt
    • Nachtleben in der Long Street (s. Abb. 8)
    • Victoria & Alfred Waterfront
    • Tafelberg
    • Tour rund um die Kap Region S
    • Wein Tour
    • Sonnenaufgang auf dem Lion's Head (s. Abb. 6)
    • Botanischer Garten
  • Johannesburg
    • Fußballspiel im Soccer City (FNB Stadium)
    • Besuch eines Township
      Bitte vorher informieren, dass man in keiner große Gruppe und Tour durch ein Township geht. Ein respektvoller Umgang ist das wichtigste und daher soll es keine touristische Sightseeing Tour ähnlich einem Zoobesuch sein. Wir haben damals einen kurzen Spaziergang mit einem Einheimischen durch Soweto (Township in Johannesburg) gemacht und beim anschließenden Braai (südafrikanische Bezeichnung für Grillen/ Barbecue) mit Township-Bewohnern die südafrikanische Kultur kennengelernt (s. Abb. 5). Wichtig ist, dass man dem Guide vertraut und sich bei ihm sicher fühlt. Von einem Besuch ohne Guide wird allerdings abgeraten.
    • Drakensberge (s. Abb. 4) 

5. Fazit

Die Ausnahmesituation rund um das Corona-Virus brachte mich zu der schweren Entscheidung, mein Auslandssemester Ende März 2020 frühzeitig abzubrechen und einen Tag vor Beginn des südafrikanischen Lockdowns nach Deutschland zurückzukehren. Natürlich kann man sich ärgern und das tue ich auch, aber trotz allem ist es mir wichtig in erster Linie dankbar für die großartige Zeit von immerhin 2 Monaten zu sein.
Das Auslandssemester an der DUT hat mir sehr gut gefallen und ich konnte einen Eindruck vom Studieren und Leben in Südafrika gewinnen. Auch wenn die Proteste (siehe Kapitel 3) ein unwohles Gefühl in mir ausgelöst haben, würde ich nicht von der DUT abraten. Während meines Semesters dauerten diese nur ein bis zwei Wochen an und es kam zu keinen grö-ßeren Verschiebungen im Semesterplan. In dieser Zeit kann man den Campus meiden und einer möglichen Gefahr somit aus dem Weg gehen. Bei den südafrikanischen Kommilitonen kann man sich dann informieren, wann es wieder möglich ist die DUT zu besuchen.
Südafrika hat den Ruf ein nicht ungefährliches Land zu sein. Wer jedoch mit offenen Augen durch die Welt geht, auf die Ratschläge der Einheimischen und des International Office hört, auf sein Bauchgefühl vertraut und gewisse Orte meidet, braucht aber meiner Meinung nach keine größeren Bedenken haben.

Zusammenfassend würde ich jedem der mich fragt ein Auslandssemester im Allgemeinen und in Südafrika empfehlen. Man lernt einiges über sich selbst und erfährt, wie der Lernstoff in anderen Teilen der Erde vermittelt wird bzw. welche Probleme und Gedanken südafrikanische Studierende während ihrem Studium haben. Nebenbei bleibt genügend Freizeit um die Kultur und Natur eines fremden, exotischen Landes zu entdecken und vor allem neue Freundschaften zu knüpfen.

 

von Jonas Sevenich