Verwaltung trifft Wissenschaft: Wie Straßen und Plätze lebendiger werden können

Straßen beeinflussen unser Leben. Sie können ein Ort zum Wohlfühlen, aber auch ein Ärgernis sein. Sie können ein Ort für Gespräche sein, ein Ort, an dem man sicher ist, an dem es sich lohnt, ein Geschäft zu eröffnen. Ein lebendiger Ort. Unübersichtliche, unattraktive Straßen können einem aber auch das Leben schwer machen. Gerade im Unesco-Welterbe Oberes Mittelrheintal mit seinen eng bebauten Ortskernen ist es aber wichtig, dass die Straßen attraktiv und somit lebendig sind – natürlich wegen der Menschen, die dort leben, aber auch wegen der vielen Touristen. Doch wie kann eine attraktive und dennoch praktikable Gestaltung gelingen? Antworten auf diese Frage hatten die Vortragenden, die anlässlich der jüngsten Auflage der Reihe „Verwaltung trifft Wissenschaft“ in die Räume der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord in Koblenz gekommen waren. Die Hochschule Koblenz war natürlich mit von der Partie.

  • Von links: Julia Holzemer-Thabor (SGD Nord, Initiative Baukultur), Dr. Ulrich Kleemann (Präsident der SGD Nord), Prof. Dirk Fischer (Hochschule Koblenz) und Prof. Ulrike Kirchner (Hochschule Koblenz). Foto: SGD Nord

Zusammen mit der Hochschule Koblenz sowie dem Landesbetrieb Mobilität (LBM) Rheinland-Pfalz und dem hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung hat die SGD Nord mit der bei ihr angesiedelten Initiative Baukultur den „Leitfaden Straßenraumgestaltung“ entwickelt. Das knapp 100-seitige Buch, das sich an Verwaltungen und politische Entscheidungsträger sowie alle Interessierten richtet, zeigt viele Lösungsbeispiele auf. Und Lösungen sollten gefunden werden, wie auch SGD-Präsident Dr. Ulrich Kleemann betont. Er wirbt dafür, bauliche und gestalterische Anreize für ein aktives Straßenleben zu setzen und gleichzeitig Rad- und Fußverkehr, ÖPNV sowie Sharing-Angebote zu stärken. „Die umfangreichen Flächen, die heute noch vom fließenden Verkehr und von parkenden Autos in den Straßenräumen besetzt werden, sind eine Ressource für die Neugestaltung von Straßen und Plätzen. Dadurch wird Straßenleben möglich und wird aus Verkehrsraum wieder lebenswerter Stadtraum“, so Dr. Kleemann.

In die Details gingen die Fachleute bei ihren Vorträgen. „Im Mittelrheintal sind es vor allem die Ortsdurchfahrten, für die innovative und integriert gedachte Konzepte und Umbauten erforderlich werden“, erklärte Prof. Ulrike Kirchner von der Hochschule Koblenz. Dazu gehöre, Geschwindigkeits- und Fahrbahnreduzierungen anzustreben, mehr Platz für Fuß- und Radverkehr sowie Möglichkeiten, die Straße zu überqueren, zu schaffen. Gerade im Hinblick auf die angestrebte Mobilitätswende müsse es bei der Ausbildung von Straßen im bebauten Bereich um die Stärkung der Aufenthaltsqualität und damit um das „menschliche Maß“ gehen.

Prof. Dirk Fischer von der Hochschule Koblenz erklärte, dass barrierefreie Verkehrsanlagen für seh- und gehbehinderte Menschen bei der Planung lebenswerter Straßen ein Muss sind. Bei Innerortsstraßen müsse der große Raumbedarf für den „ruhenden Verkehr“ überdacht werden. „Hier sind intelligente Parkraummanagementsysteme, insbesondere für die Ortszentren zu entwickeln", so Fischer, der auch für eine Änderung der Straßenverkehrsordnung warb. Denn bei klassifizierten Hauptverkehrsstraßen sei nur in Ausnahmefällen eine Geschwindigkeitsreduzierungen auf unter 50 km/h möglich. Bei einer Geschwindigkeit von 30 km/h könne aber gerade in engen Ortslagen die Verkehrssicherheit erhöht, die Schadstoffemissionen reduziert und der Straßenraum verträglicher und lebenswerter gestaltet werden. „Lebenswerter Straßenraum“ bedeutet für Prof. Fischer aber auch, qualitätsvolle Materialien und Ausstattungen zu verwenden. „Hierbei ist die farbliche Abstimmung von großer Bedeutung für das gesamte Erscheinungsbild", so Fischer.

Julia Holzemer-Thabor von der SGD Nord (Initiative Baukultur) betonte, dass die Planungsprozesse für die gelungene Straßenraumgestaltung „außerordentlich wichtig“ sind. „Integrierte städtebauliche Prozesse unter frühzeitiger Beteiligung aller betroffenen Fachdisziplinen und mit Einbindung der Bürger versprechen beste Ergebnisse“, sagte sie. In dieser Hinsicht seien Verwaltungen und politische Entscheidungsträger gefragt. Zu den Planungsinstrumente, die qualitätsvolles Bauen – sowohl im Hochbau als auch bei städtebaulichen Aufgaben – sichern, zählte sie unter anderem Workshops und Wettbewerbsverfahren, die sich in vielen erfolgreich durchgeführten Verfahren bewährt hätten.

Zum Hintergrund:

Unter dem Titel „Verwaltung trifft Wissenschaft“ beleuchtet Präsident Dr. Ulrich Kleemann im zweimonatigen Rhythmus jeweils ein Thema aus dem vielfältigen Aufgabenfeld der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord näher und lädt dazu Gastreferenten aus Wissenschaft und Verwaltung ein. Die Veranstaltung soll neben dem Austausch aktueller Informationen zwischen Lehre und Praxis eine Gelegenheit zum Kennenlernen des interessanten Aufgabenspektrums der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord bieten.