Antrittsvorlesung von drei neu berufenen Professoren im Fachbereich Sozialwesen

Zu einer außergewöhnlichen Veranstaltung hatte der Fachbereich Sozialwesen am 20. Oktober 2011 eingeladen: Drei neu berufene Professoren hielten ihre Antrittsvorlesung zum Thema "Jugendhilfe" und begeisterten ihr Auditorium mit ihren fachlich fundierten Vorträgen. 

„Die Jugendhilfe entstand aus der Einsicht der damaligen Gesellschaft, dass Not, Verelendung, Verwahrlosung auch gesellschaftlich und ökonomisch bedingt sind und deshalb auch die moderne Gesellschaft eine Mitverantwortung trägt, diesen Missständen mit geeigneten Maßnahmen und professionellem Personal entgegenzuwirken. Zurzeit verdichtet sich der Eindruck, dass dieser Grundkonsens sich immer weiter aufweicht."Mit diesem Satz brachte Dekan Prof. Dr. Günter Friesenhahn unterschiedliche Facetten der Jugendhilfe auf einen Punkt. Dementsprechend näherten sich die drei neuen Professoren aus ganz unterschiedlichen Richtungen diesem zentralen Thema. Prof. Dr. Stephan Bundschuh, Prof. Dr. Paul Krappmann und Prof. Dr. Kurt-Peter Merk nahmen soziologische, psychologische und juristische Aspekte näher unter die Lupe.

Als „akademisches Highlight“ bezeichnete Prof. Dr. Kristian Bosselmann-Cyran die Antrittsvorlesung, die im Fachbereich Sozialwesen als gute Tradition gepflegt wird. Sie diene nicht nur dem ersten Kennenlernen der neuen Wissenschaftler, sondern biete auch Kolleginnen und Kollegen anderer Disziplinen die Möglichkeit, in fremde Fachgebiete hinein zu schnuppern, so der FH-Präsident.

Prof. Dr. Stephan Bundschuh rückte in seinem Vortrag „Zur Kritik der Gewalt: Mikrosoziologische Fragen an die Jugendhilfe“ Eingriffsmöglichkeiten der Jugendhilfe in Gewaltprozessen in den Blickpunkt. Anhand von Beispielen zeigte er, wie Gewalt sich in bestimmten Situationen entwickelt und durch welche Verhaltensweisen eine Eskalation begünstigt wird. Er appellierte an die Akteure, Gewalt nicht grundsätzlich zu pathologisieren -  das heißt, als krankhaft einzustufen -, sondern sie als sozialen Interaktionsprozess zu analysieren, der wie andere Interaktionsprozesse auch durch situatives Eingreifen verändert werden kann.

Prof. Dr. Paul Krappmann stellte die Frage „Lebenszielplanung mit Jugendlichen – eine Aufgabe für die Soziale Arbeit?“ in den Raum. Der Psychologe verdeutlichte, dass  die Bildung und Realisierung von persönlichen Lebenszielen erst die sinnhafte Gestaltung des eigenen Lebens ermöglichen und einen wichtigen Beitrag zum subjektiven Wohlbefinden leisten. „Menschen, insbesondere Jugendliche brauchen Perspektiven“, betonte Krappmann. Zur Unterstützung der Zielplanung und -realisierung gebe es im Bereich der Sozialen Arbeit wichtige Ansatzpunkte, so dass die eingangs gestellte Frage durchaus mit „Ja“ zu beantworten sei.

Den rechtlichen Aspekten von Geheimnissen näherte sich Professor Dr. Kurt-Peter Merk in seinem Vortrag „Familiengeheimnis – Kindergeheimnis – Arztgeheimnis“. Am Beispiel des Themas Kindesmisshandlung schilderte er u.a. den Zwiespalt zwischen ärztlicher Schweigepflicht und dem Schutz des Kindes. Aus Sicht des Juristen muss der Gesetzgeber einen Perspektivenwechsel vornehmen und Kinder immer zuerst als eigenständige Rechtssubjekte und erst danach als Teil einer Familie betrachten. „Dann könnte Artikel 2 Grundgesetz (Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit) vor oder mindestens neben dem Familiengrundrecht des Artikel 6 Grundgesetz Anwendung finden und die Subjektstellung des Kindes würde in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt werden“, betonte Merk.

Ein Empfang im Anschluss an die offizielle Veranstaltung rundete die gelungene Feier ab.

zu den Fotos