Sandro Hein at kaunas University of Technology

Als ich im März 2014 einen Kommilitonen im Auslandssemester in Kaunas (Litauen) besuchte, dachte ich noch nicht im Traum daran selbst ein Auslandssemester dort zu verbringen. Die Erfahrungen die ich in dieser knappen Woche machen durfte überzeugten mich jedoch so gründlich, dass ich nach meiner Rückkehr sofort mit der Bewerbung anfing.

Wenige Monate später, genauer gesagt Anfang August, trat ich dann die Reise nach Litauen an. Warum Litauen? Nun, diese Frage wird einem ständig gestellt. Sei es in Deutschland, sei es in Litauen. Die Gründe für ein Auslandssemester im Allgemeinen, und die Auswahl des Landes im Speziellen, sind sicherlich sehr individuell. Ein allgemeiner Vorteil eines Auslandssemesters in Litauen dürfte jedoch vielen Studenten entgegen kommen: es ist, verglichen mit anderen Zielen, unheimlich günstig. Eine kleine Anmerkung: zum 01. Januar 2015 wurde der Euro auch in Litauen eingeführt. Inwieweit sich dies auf die Preise auswirken wird vermag ich an dieser Stelle nicht abzuschätzen.

Unterkunft

Für die Unterkunft sichert einem die KTU (Kaunas University of Technology) einen Wohnheimplatz zu. Alternativ kann man auch privat eine Wohnung mieten. Beides bietet Vor- und Nachteile. Im Wohnheim lernt man schnell und unkompliziert Leute kennen, es ist sehr günstig (zum Zeitpunkt meines Aufenthaltes 90 € Doppelzimmer / 110 € Einzelzimmer) und mit ordentlichem Internet ausgestattet (Litauen hat – obwohl es ein recht armes Land ist – das schnellste Internet in Europa). Es kann im Wohnheim jedoch auch zu Streitigkeiten kommen, da die Vorstellungen von sozialem Verhalten und Hygiene in gemeinschaftlich genutzten Bereichen (etwa die Küche) doch sehr stark variieren können. Die Regeln im Wohnheim sind sehr streng: die klar formulierten Besuchszeiten (und jeder Besucher muss einen Identitätsnachweis vorlegen) oder das allgemeine Verbot von  Alkohol- und Tabakkonsum im Wohnheim sind Beispiele. Inwieweit speziell die letztgenannte Regel auch beherzigt wird hängt allerdings sicherlich stark von den Studenten selbst ab. Auch werden gelegentlich (mit Ankündigung) die Räume kontrolliert, wodurch ich mich manchmal eher wie ein Teenager als ein Erwachsener Ende zwanzig gefühlt habe.

Im Umkehrschluss liegen hier die Vorteile einer Wohnung. Niemand schreibt einem Besuchszeiten oder andere Regeln vor. Auch kann man natürlich in bestimmte Regionen in Kaunas ziehen – vorzugsweise ins Stadtzentrum, wo neben einigen Fakultäten natürlich auch das Nachtleben stattfindet. Das Wohnen in privaten Wohnungen ist natürlich meist etwas teurer als das Leben im Wohnheim, und man knüpft auch weniger schnell Kontakte.

Studium

In der ersten Woche werden in verschiedenen Veranstaltungen zahlreiche Informationen vermittelt die einen gut in den akademischen Bereich des Auslandsaufenthaltes einführen. Auch gibt es einige freizeitliche Willkommensveranstaltungen – etwa eine sehr stilvolle Willkommensfeier mit Professoren und Mitarbeitern nahezu aller Fakultäten, eine Bus-Tour und eine Rally durch Kaunas, die Eröffnungsfeier des akademischen Jahres in der „Žalgirio“-Arena, sowie eine KTU Studenten Party in einem Club.

Der Start der regulären Vorlesungen gestaltete sich aufgrund zahlreicher kurzfristiger Veränderungen im Vorlesungsplan etwas chaotisch. Die Koordinatoren der jeweiligen Fakultäten sind jedoch alle sehr hilfsbereit und nach einiger Anlauf-Zeit hat man sich eingefunden. Wählt man Kurse aus verschiedenen Fakultäten kann es jedoch durchaus zu Überschneidungen im Vorlesungsplan kommen, was speziell bei kurzfristigen Änderungen sehr ärgerlich sein kann. Folgende Kurse hatte ich belegt:

  •     Litauisch für Ausländer
  •     Italienisch (A1)
  •     Psychology of leadership and management

Wie der Titel schon sagt sitzt man bei „Litauisch für Ausländer“ mit anderen Austauschstudenten zusammen. Ich habe diesen Kurs gewählt, weil ich zumindest einige grundlegende Dinge in Litauisch sagen können wollte. Zudem freuen sich die Einheimischen sehr wenn man ihnen auf diese Weise Respekt für ihr Land / ihre Kultur entgegen bringt. Es fiel mir jedoch nicht leicht Litauisch zu lernen, da die Sprache recht komplex ist, und mein „Talent“ für Sprachen eher überschaubar. Es mag aber auch damit zusammenhängen, dass ich mit Italienisch zeitgleich anfing eine andere Sprache zu erlernen.
Im Italienisch-Kurs waren abgesehen von mir nur Einheimische. Das fand ich ehrlich gesagt klasse, da ich nicht völlig isoliert in der „Erasmus-Blase“ studieren wollte. Auch sprachlich war dies kein Problem, da der Dozent stets für mich in Englisch übersetzt hat – was glücklicherweise nicht zu Unmut bei den litauischen Studenten geführt hat.

Mit Psychology of Leadership and Management hatte ich zumindest einen Kurs aus meinem eigentlichen Fachbereich, der Ökonomie/Betriebswirtschaftslehre. Wie aus dieser Kurszusammenstellung klar ersichtlich ist, lag der Fokus meines Auslandsaufenthaltes weniger auf fachlicher denn persönlicher Entwicklung. Wer sich einen genaueren Überblick über mögliche Kurswahlen verschaffen möchte dem sei folgender Link ans Herz gelegt:

http://en.ktu.lt/content/studies/exchange-students

Zudem finden sich dort viele andere wissenswerte Informationen der Universität über das Leben in Kaunas.

Freizeit

Wie man in Kaunas seine Freizeit gestaltet hängt natürlich stark von einem selbst ab, in zweiter Linie aber auch stark davon, in welchem Semester (Sommer oder Winter) man nach Litauen reist. Im Winter kann es in Litauen sehr, sehr kalt werden: Temperaturen von -20 Grad sind im Januar keine Seltenheit. Damit will ich aber lediglich auf gute, warme Kleidung hinweisen und in keiner Weise von einem Wintersemester hier abraten. Ich selbst war im Wintersemester in Kaunas.

So konnte ich etwa an einer vom Erasmus-Studenten-Netzwerk (ESN) organisierten Reise nach Lappland (Nordfinnland) teilnehmen. Malerische Schneelandschaften, Schneemobil fahren, eine Husky-Farm besuchen sowie mit einem Husky-Schlitten fahren. Zudem Langlaufski und mein persönliches Highlight: die Möglichkeit Nordlichter zu sehen (Aurora Borealis)! (Und ja, wir hatten das Glück gleich an zwei Abenden!). Neben dieser Reise, sowie weiteren nach Russland (St. Petersburg und Moskau), bietet das Netzwerk zahlreiche andere Events an. Beispielsweise eine Übernachtung in einem Camp, mit Teamspielen am Tag sowie (wer hätte das gedacht :D) einer Party am Abend, Fallschirmspringen (was sogar mittels einer GoPro aufgezeichnet wird), Ski fahren in einer Ski-Halle, sowie zahlreiche weitere Veranstaltungen: vom eingangs erwähnten Empfang mit Professoren und Mentoren, über eine internationale Fashion-Show (woran ihr teilnehmen könnt), bis hin zu vielen Partys in den Clubs und Bars von Kaunas.

Zudem gibt es natürlich viele Dinge die ihr auf eigene Faust unternehmen könnt – sei es innerhalb von Kaunas, oder auch ein anderes Reiseziel. Empfehlen kann ich hier etwa eine Reise nach Vilnius, der Hauptstadt von Litauen, nach Klaipeda, direkt an der litauischen Küste gelegen, sowie nach Trakai, welches mit einem schönen Schloss in einem See aufwarten kann. Dieses ist nachts sehr schön beleuchtet und ihr könnt es per Boot umrunden.

In Kaunas könnt ihr beispielsweise Paintball spielen, Go-Kart fahren, Eislaufen, oder auch ins Kino gehen. Da Litauen nur etwa drei Millionen Einwohner hat werden die Filme nicht synchronisiert, sondern auf Englisch mit litauischem Untertitel gezeigt. In Kaunas findet ihr aber auch Kulturelles und ruhigere Aktivitäten. Es gibt zahlreiche Museen, Galerien, Konzerte sowie Festivals. Zudem gibt es einen wirklich schönen botanischen Garten inklusive eines Gewächshauses mit tropischen Pflanzen. In der Žalgirio Arena in Kaunas könnt ihr viele verschiedene Events verfolgen. Von Konzerten (durchaus auch viele international bekannte Stars), über Motorshows bis hin zum – für meine Begriffe – wichtigsten Punkt: Basketball. Basketball ist hier Nationalsport wie bei uns Fußball. Es ist daher quasi Pflicht sich zumindest einmal ein Spiel der litauischen Nationalmannschaft, oder des ansässigen Vereins „Kauno Žalgiris“ anzusehen. Sei es in einer Kneipe (typisch litauisch mit Brot-Sticks!), oder live in der Arena! Im Nachtleben könnt ihr zahlreiche Bars, Clubs und Kneipen besuchen. Das Bier hier schmeckt super und ist im Vergleich zu Deutschland sehr günstig!

Fazit

Meine Entscheidung mein Auslandssemester in Kaunas zu verbringen habe ich zu keinem Zeitpunkt bereut. Ich habe viele tolle Menschen kennengelernt, zahlreiche neue Erfahrungen gemacht und das Leben aus einer neuen Perspektive kennengelernt. Man trifft hier sehr offene Menschen. Ein Beispiel? Ich habe in einer Bar einige Litauer kennengelernt die mich spontan eingeladen haben mit ihnen zu einem Rockfestival zu fahren. Wenig später bin ich mit ihnen nach Zarasai gefahren. Zelt/Schlafsack haben sie mir gegeben. Es mag etwas gewagt klingen mit wildfremden wegzufahren, aber es war ein geniales Wochenende. J Natürlich gibt es gelegentlich auch negative Erlebnisse, doch die positiven überwiegen diese bei weitem. Zudem, auch wenn ich nun eine Münze ins Phrasen-Schwein werfen muss: Wo nur die Sonne scheint ist meistens Wüste!

Hört euch um – zumindest ich habe noch NIE mit einem Kommilitonen gesprochen der die Entscheidung für ein Auslandssemester bereut hat, unabhängig vom gewählten Land. Ich selbst habe viele Möglichkeiten ins Ausland zu gehen verstreichen lassen. Erst jetzt in meinem Master-Studium habe ich die Chance ergriffen. Wartet nicht solange wie ich. Macht es! Es lohnt sich.