Zweiter Jahrgang der Weiterbildung „Psychosoziale Prozessbegleitung“ zertifiziert

  • Prof. Dr. Daniela Braun, Vizepräsidentin für Lehre und Diversity an der Hochschule Koblenz, Justizminister Herbert Mertin und Sebastian Mooz, Fachbereich Sozialwissenschaften.

  • Prof. Dr. Günter J. Friesenhahn, Dekan des Fachbereichs Sozialwissenschaften.

  • Dr. Sandra Gitzel, Richterin am Landgericht Mainz und im Justizministerium Ansprechpartnerin für die Psychosoziale Prozessbegleitung.

KOBLENZ. Seit Januar 2017 haben Opfer schwerer Gewalttaten bundesweit einen Rechtsanspruch auf Psychosoziale Prozessbegleitung während des gesamten Strafverfahrens. Schon bevor dieses neue Gesetz in Kraft getreten war, hatte das Institut für Forschung und Weiterbildung (IFW) der Hochschule Koblenz in Kooperation mit dem rheinland-pfälzischen Justizministerium eine berufsbegleitende Weiterbildungsmöglichkeit initiiert, die das speziell für diesen Zweck benötigte Fachpersonal ausbildet. Im Herbst 2016 erwarben bereits 11 Teilnehmerinnen und Teilnehmer das Zertifikat für die Anerkennung als Psychosoziale Prozessbegleiterinnen und -begleiter. In einer zweiten Weiterbildungsrunde konnten nun zehn weitere diese Qualifikation erfolgreich abschließen.

Justizminister Herbert Mertin und Dr. Sandra Gitzel, Richterin am Landgericht Mainz und im Justizministerium Ansprechpartnerin für die Psychosoziale Prozessbegleitung, waren gerne nach Koblenz gekommen, um den zehn Absolventinnen und Absolventen persönlich zu gratulieren. Gemeinsam mit Prof. Dr. Daniela Braun, Vizepräsidentin für Lehre und Diversity an der Hochschule Koblenz, übergab der Minister die Zertifikate.

In seiner Begrüßung betonte Prof. Dr. Günter J. Friesenhahn, Dekan des Fachbereichs Sozialwissenschaften, dass sich das soziale Engagement des Rechtsstaates in dem neuen Gesetz zeige. Damit werde auch eine direkte Verbindung zwischen rechtsstaatlichen Aufgaben und Funktionen der Sozialen Arbeit in der Gesellschaft deutlich: „Soziale Arbeit versteht sich international als Menschenrechtsprofession. Gerechtigkeit, Solidarität und Teilhabe sind Eckpunkte des professionspolitischen Selbstverständnisses.“ Gerichtet an die neuen Prozessbegleiterinnen und -begleiter unterstrich Friesenhahn: „Sie setzen dies um, indem Sie Opfer, die überfordert sind, auf das Verfahren vorbereiten, ihre Aussagetüchtigkeit stabilisieren und ihnen dabei helfen, die psychosozialen Folgen der Tat besser verarbeiten und verkraften zu können.“

Die frisch zertifizierten Fachkräfte, die mehrheitlich durch die Mitarbeit in Kinder- oder Opferschutzverbänden bereits beruflich mit der Thematik vertraut sind, erwartet eine anspruchsvolle Tätigkeit: Künftig begleiten sie besonders schutzbedürftige Verletzte in Strafverfahren. Ziel ist eine professionelle Betreuung, Informationsvermittlung und Unterstützung von Opfern, um deren individuelle Belastung zu reduzieren und die Aussagetüchtigkeit als Zeugin oder Zeuge im Strafverfahren zu fördern. Die Begleiter sollen verhindern, dass beispielsweise missbrauchte Kinder in einem Prozess retraumatisiert werden. So sind sie auch berechtigt, bei Vernehmungen anwesend zu sein und gegebenenfalls einzuschreiten.

Prof. Dr. Daniela Braun hob die besondere Leistung des Instituts für Forschung und Weiterbildung hervor. Ein solches „Kleinod der Weiterbildung“ vom Start weg so erfolgreich auf den Weg zu bringen sei keine Selbstverständlichkeit: „Das IFW als eines von sechs hochschuleigenen Instituten hat sich in den letzten Jahren mit ganz besonderen wissenschaftlichen Weiterbildungen und Forschungsaktivitäten positioniert.“

Herbert Mertin nahm Bezug auf den zuweilen geäußerten Vorwurf, der Staat kümmere sich mehr um die Täter als um die Opfer. Dieser Eindruck sei falsch: „Bislang hatte ein Opfer schwerer Straftaten schon einen Rechtsanspruch auf einen Nebenklägervertreter, also auf einen Rechtsanwalt, der seine juristischen Interessen vertritt. Nun ist als Ergänzung noch die Möglichkeit der psychosozialen Prozessbegleitung hinzugekommen, um die Betroffenen auf allen Ebenen unterstützen und begleiten zu können.“ Gerade für Menschen, die noch nie einem Prozess beigewohnt hätten, sei das Gerichtsverfahren eine ungewohnte, vielleicht sogar bedrohlich empfundene Situation. Richterin Dr. Sandra Gitzel nannte sich selbst „eine überzeugte Verfechterin“, die psychosoziale Prozessbegleitung auch in Rheinland-Pfalz zu installieren. Sie lobte den Mut der Hochschule Koblenz, eine solche Weiterbildung zu entwickeln, noch bevor das entsprechende Landesgesetz überhaupt verabschiedet war.

An der Weiterbildung der Hochschule Koblenz schätzten die Absolvierenden besonders die Vertiefung ihres Wissens in Kriminologie und Psychologie, speziell Psychotraumatologie, aber auch den praxisnahen Bezug durch die Prozessbeobachtung. In zehn mehrtägigen Präsenzmodulen, per E-Learning und mit praktisch orientierten Anteilen bereitet das Ausbildungskonzept auf die komplexen Aufgaben der Psychosozialen Prozessbegleitung vor. Dafür mitbringen mussten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen Hochschulabschluss in den Bereichen Soziale Arbeit, Sozialpädagogik, Pädagogik oder Psychologie.