Zahlreiche Interessierte besuchten das Symposium über „essbare Fassaden“

Vor einem interessierten Publikum präsentierten Masterstudierende der Architektur kreative Entwürfe für essbare Hausbegrünungen. Die zahlreich erschienenen Interessierten, Akteure der Region sowie Studierende nutzten das von Prof. Dipl.-Ing. Jo Ruoff und der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Silvia Cortellesi veranstaltete Symposium „Grüner geht’s immer!“ als Gelegenheit zur Information und zum aktiven Gedankenaustausch.

  • Von links: Silvia Cortellesi, wissenschaftliche Mitarbeiterin, und Prof. Dipl.-Ing. Jo Ruoff aus der Fachrichtung Architektur.

Aus drei verschiedenen Perspektiven beleuchteten die (Gast)-Vorträge der geladenen Referentinnen und Referenten das Thema und gingen dabei auf unterschiedlichste Fragen ein: Welche Möglichkeiten der Fassadenbegrünung gibt es? Wie können diese als Maßnahmen sinnvoll zu Klimaschutz und Klimaanpassung beitragen? Welche messbaren Effekte hat eine Hausbegrünung in Bezug auf die Verdunstung, Luft- und Oberflächentemperatur der Wände? Wäre die Umsetzung von Begrünungsprojekten in der Bevölkerung überhaupt akzeptiert und erwünscht?

Zunächst lag der Fokus auf den Arbeiten der Studierenden, die sich für ihre Projektideen Gebäude der Region frei aussuchen durften. Eines fällt beim Blick auf die variantenreichen Modelle, Zeichnungen und Computergrafiken der Studierenden sofort auf: Mit den Klassikern unter den Kletterpflanzen, wie z.B. Efeu, haben sie wenig gemein, denn die vertikalen Gartenkonzepte sollen nicht nur grüne Abwechslung ins Stadtbild bringen, sondern auch zum Obst- und Gemüseanbau geeignet sein – und das fassadenschonend.

Für die Entwürfe wählten die Studierenden Bestandsgebäude der Region aus, wie beispielsweise die Filiale der Sparkasse Koblenz in der Bahnhofstraße. Die angehenden Architektinnen Katja Bruchof, Christina Klapper und Teresa Ziegler entwarfen Rahmen, die in der dortigen Fassade verankert werden könnten und sich filigran in das vorhandene Stützenraster eingliedern würden. In den darin fixierten, mit Substrat befüllten Kästen würden je nach Saison unterschiedliche Pflanzenarten in Rot- und Grüntönen sprießen, die das ganze Jahr über ein wechselvolles Bild erzeugen könnten. Mit Wasser und Nährstoffen würde der Garten per computergesteuerter Frischwasserzuleitung aus der Zisterne versorgt. Durch die Drehbarkeit der einzelnen Kastenelemente wäre die Ernte, etwa von Salat oder Möhren, leicht einzuholen.

Apropos Salat: Wie wäre es mit einer Salatbar, deren Eigentümer oder Pächter mitten in der Koblenzer Altstadt ihr Gemüse gleich selbst anbauen, wodurch sich nicht zuletzt auch Emissionen für lange Lieferketten einsparen ließen? Nach Philip-Leon Kolbergs und Alexander Middendorfs Plan könnte das ausgewählte Haus am Rhein so umgestaltet werden, dass an dessen Rückwand Frühlingszwiebeln, Tomaten, Kartoffeln und andere Wurzelgemüsesorten gedeihen. Die Gerüstkonstruktion würde dabei zugleich für die ausgewogene Bewässerung aus dem Regenwasserspeicher sorgen. Dieses ganz­heitliche und zugleich kostensparende Denken spiegelt sich in allen studentischen Entwürfen wider.

„Um wirkungsvolle Effekte in Klimaschutz und -anpassung zu erzielen, bräuchte man schon großräumige Projekte“, erklärt Cortellesi, „ein paar vereinzelte Fassaden­bepflanzungen reichen dazu nicht aus.“ Insofern wäre der finanzielle Aufwand ein erheblicher Faktor für machbare Zukunftsvisionen in der Stadtplanung.

Prof. Dipl.-Ing. Ulrike Kirchner wies in ihrem Vortrag auf dem Symposium auf die Klimawirksamkeit von unterschiedlichen Grünflächen in den Städten hin. Die Professorin aus dem Fachbereich Bauwesen der Hochschule Koblenz hob hervor, dass es wichtig sei, integrierte Konzepte mit einem differenzierten Netz von Grünstrukturen zu entwickeln. Diese sollten Städte darin unterstützen, sich sowohl an das veränderte urbane Mikroklima anzupassen als auch weitere Belastungen durch Klimawandelfolgen zu mindern.

Dr. Thomas Nehls vom Institut für Ökologie der Technischen Universität Berlin bereicherte die Vortrags- und Diskussionsrunde mit seinen Erkenntnissen aus verschiedenen Experimenten. Anhand einer beispielhaft angebrachten Fassaden­begrünung hatten er und sein Team konkrete Messungen durchgeführt. Wie hoch ist die Verdunstung? Verändert sich nach der Bepflanzung die Oberflächen­temperatur der betreffenden Hauswand? Reduziert sie die Lufttemperatur? Neben den insgesamt festgestellten positiven Ergebnissen hatte Nehls auch Interessantes aus einer Umfrage zur Akzeptanz in der Bevölkerung zu berichten. Auf Widerstand in puncto vertikale Grünflächen könnten Städteplaner stoßen, was historische Gebäude oder die für manche Bewohner gewöhnungs­bedürftige biologische Vielfalt betrifft. Nicht jeder sieht im Untermieter aus dem Insekten- oder Vogelreich einen willkommenen Beitrag zur Idylle.

Aus der Praxis des gemeinschaftlichen Obst- und Gemüseanbaus berichtete Dipl.-Geoökologe Lutz Kosack aus dem Stadtplanungsamt der Stadtverwaltung Andernach. Die Bürgerinnen und Bürger der „essbaren Stadt“ waren von der Idee und Umsetzung kollektiv zu pflegender Gärten begeistert und mittlerweile profitieren Alle von den frei zugänglichen Anbauflächen im Stadtkern, denn Jeder darf zugreifen bei Rosenkohl, Äpfeln und allem Nahrhaften, was die Parks sonst zu bieten haben. Die essbare Stadt Andernach ist somit auch ein Beispiel dafür, wie ein offenes Gartenprojekt das Naturbewusstsein der Anwohnerinnen und Anwohner schulen kann. Ob vertikal oder horizontal – ein Garten ist kein Supermarkt.

 

Weitere Informationen zu essbaren Fassaden finden Interessierte in einem Katalog, der die Arbeiten der Studierenden detailliert vorstellt. Zu einem Unkostenbeitrag von 10 Euro kann der Katalog bestellt werden bei Silvia Cortellesi, per Mail: cortellesi(at)hs-koblenz.de oder telefonisch unter 0261-9528665.