Erste kooperative Promotion mit Uni Siegen abgeschlossen

Die wissenschaftliche Kooperation der Hochschule Koblenz und der Universität Siegen hat nun Früchte getragen: Als erster gemeinsamer Doktorand hat Julian Löhe erfolgreich seine Promotion an der Philosophischen Fakultät in Siegen abgeschlossen. Löhe hatte Sozialarbeit/Sozialpädagogik und Sozialmanagement in Koblenz und Mönchengladbach studiert und anschließend in Siegen promoviert.

In seiner Dissertation untersuchte Julian Löhe, ob das so genannte „employer branding“ eine sinnvolle Strategie für Unternehmen sein kann, Fachkräfte in Zeiten des demografischen Wandels zu rekrutieren. „Employer branding“ ist eine Strategie, mit der Arbeitgeber ihre Attraktivität steigern und Fachkräfte für sich gewinnen möchten. Julian Löhe untersuchte die Strategie am Beispiel einer Kundenbank und eines Wohlfahrtsverbandes. Dafür kombinierte er quantitative und qualitative Methoden, befragte sowohl Beschäftigte als auch Personalverantwortliche. Seine empirische Forschung zeigt, dass es den Beschäftigten besonders wichtig ist, die Pflege von Angehörigen mit ihrem Beruf vereinbaren zu können. Bieten Unternehmen dafür eigene Lösungen an, unterscheidet es sie von anderen und hilft ihnen, Fachkräfte an sich zu binden.

Betreut wurde die Promotion von Prof. Dr. Daniela Braun (Hochschule Koblenz) und Prof. Dr. Christoph Strünck (Universität Siegen). Julian Löhe vertritt derzeit eine Professur im Fachbereich Sozialwissenschaften der Hochschule Koblenz und leitet einen Studiengang des Fachbereichs am Standort Wien. „Durch die Unterstützung des Fachbereichs Sozialwissenschaften der Hochschule Koblenz war es mir gut möglich, Inhalte meiner Dissertation mit meinen Aufgaben als Lehrkraft an der Hochschule zu verbinden“, betont Löhe, „von der Kooperation der Hochschule Koblenz mit der Uni Siegen habe ich sehr gut profitieren können.“

Im April 2014 hatten die Hochschule Koblenz und die Universität Siegen eine Kooperation zur „Zusammenarbeit in Forschung, Lehre, Transfer und Dienstleistung“ beschlossen. Ein wesentliches Ziel der Vereinbarung ist die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses durch gemeinsam betreute Promotionen. Absolventinnen und Absolventen der Hochschule Koblenz mit einem überdurchschnittlichen Masterabschluss können in einen entsprechenden Promotionsstudiengang der Universität Siegen aufgenommen werden. Doktorand oder Doktorandin werden von je einem Professor oder einer Professorin der Universität Siegen und der Hochschule Koblenz gemeinsam betreut.

Ende 2015 richtete die Hochschule Koblenz ein Graduiertenzentrum ein, in dem mittlerweile etwa 65 Doktorandinnen und Doktoranden in allen Phasen ihres Promotionsvorhabens unterstützt werden. In der Regel handelt es sich um Promotionsvorhaben, die kooperativ mit Partneruniversitäten durchgeführt werden. Mit einem breit gefächerten Programm fachlicher und fachübergreifender Weiterbildungen, einer Beratung rund um das Thema "kooperative Promotion" an der Hochschule Koblenz sowie Maßnahmen zur Vernetzung der Promovierenden ergänzen die Angebote des Graduiertenzentrums die fachliche Betreuung durch die Professorinnen und Professoren der Hochschule Koblenz. „Unsere Kooperationen mit mittlerweile 26 Universitäten, die kooperative Promotionen ermöglichen, sowie die Angebote unseres Graduiertenzentrums erleichtern unseren Absolventinnen und Absolventen das Erreichen der Doktorwürde. Damit verfolgen wir zusätzlich das Ziel, das Berufsbild einer HAW-Professur noch stärker in den Fokus zu rücken und leichter Nachwuchs für unsere Professuren zu finden“, so Prof. Dr. Bosselmann-Cyran, Präsident der Hochschule Koblenz.

 

 

„Für mich war das die ideale Konstellation.“

Interview mit Dr. Julian Löhe zu seiner Promotion an der Hochschule Koblenz und der Universität Siegen

 

Herr Löhe, Sie sind der erste Doktorand, der seine Promotion im Rahmen der Kooperation Koblenz-Siegen abgeschlossen hat. Wie hat die Zusammenarbeit funktioniert? Sind Sie mit der Betreuung zufrieden?

LÖHE: Für mich war das die ideale Konstellation. Es war sehr hilfreich, parallel eine Doktormutter und einen Doktorvater zu haben, da beide im Rahmen ihrer inhaltlichen Schwerpunkte und institutionellen Möglichkeiten einen anderen Service boten. Der Weg zu meiner Doktormutter an der Hochschule Koblenz war äußerst kurz. Bei Problemen konnte ich einfach zwei Türen weiter anklopfen und nachfragen. Prof. Dr. Daniela Braun hatte für alle Schwierigkeiten ein offenes Ohr und meist auch gleich konkrete Hinweise parat. An der Universität Siegen brachten mich sowohl mein Betreuer, Prof. Dr. Christoph Strünck, als auch das Doktorandenkolloquium voran. Dort hatte ich in regelmäßigen Abständen die Gelegenheit, meinen aktuellen Stand in der Gruppe vorzustellen und zu diskutieren.

 

Parallel zu Ihrer Promotion waren Sie an der Hochschule Koblenz als Lehrkraft für besondere Aufgaben im Sozialmanagement tätig und haben kürzlich eine Vertretungsprofessur übernommen. War es schwierig, Lehrtätigkeit und Dissertation gleichzeitig zu meistern?

LÖHE: Der Fachbereich und insbesondere der Dekan Prof. Dr. Günter Friesenhahn haben mich in der Phase der Promotion durchweg unterstützt, das hat es mir an einigen Stellen deutlich erleichtert. Auch mit meinen Arbeitsaufgaben an der Hochschule Koblenz war die Promotion vorteilhaft zu verbinden. Als Lehrkraft konnte ich die Inhalte meiner Forschung auch in Veranstaltungen thematisieren und forschungsorientiert präsentieren. Eine Win-win-Situation für die Studierenden und mich. Die Verzahnung von Forschung und Lehre erwies sich als sinnvoll, zum einen aufgrund der Synergien, zum anderen in Bezug auf die wissenschaftliche Ausbildung der Absolventinnen und Absolventen.

 

Vor Ihrer Promotion haben Sie Sozialarbeit und Sozialpädagogik an der Hochschule Koblenz und Sozialmanagement in Mönchengladbach studiert. Nun haben Sie sich in Ihrer Dissertation intensiv mit dem Thema „employer branding“ beschäftigt. Das hört sich für einen Laien mehr nach einem Hoheitsgebiet des Marketing und der Betriebswirtschaftslehre an als nach einem klassischen Thema der Sozialarbeit. Wie kamen Sie auf die Idee zu Ihrer Dissertation?

LÖHE: Sie haben vollkommen Recht. Denn eigentlich handelt es sich beim „employer branding“ um eine Methode des Produktmarketings, die dann auf Unternehmen übertragen wird, um eine langfristige Bindung von Angestellten zu erreichen. Aber gerade im sozialen Bereich ist das Problem des Fachkräftemangels allgegenwärtig. Ob in den Kitas oder im Pflegebereich – es gibt viele Betriebe, die händeringend Personal suchen und halten möchten. Das „employer branding“ ist ein Konzept, das diesbezüglich Abhilfe verspricht. Die spannende Frage war für mich an dieser Stelle, ob es universell anwendbar ist. Je nach Betrieb und Branche könnten die Ansprüche der Angestellten ja unterschiedlich aussehen. Haben zum Beispiel die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Bank andere Interessen, was die Angebote ihres Arbeitgebers betrifft, als die Angestellten eines Wohlfahrtsverbandes? Mit dieser Frage bin ich gestartet und von der Hypothese ausgegangen, dass es Unterschiede gibt. Bei der Auswertung meiner Befragungen war ich dann sehr überrascht.

 

Was hat Sie so erstaunt?

LÖHE: Ich konnte keine statistisch nachweisbaren Unterschiede zwischen Bank und Wohlfahrtsverband feststellen. Stattdessen zeigten sich auffällige Ähnlichkeiten zwischen den Wünschen der jeweiligen Belegschaft an ihren Arbeitgeber. Über 50 verschiedene Parameter des employer brandings hatte ich abgefragt, vom Gehalt über Zusatzleistungen bis hin zur Kinderbetreuung. Ein Aspekt stach bei beiden Unternehmen besonders hervor, der bisher in vielen Branchen tatsächlich wenig bedacht wird: Die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf.

 

Ein Thema, das auch sonst nicht so im Rampenlicht der Medienaufmerksamkeit steht, oder? Wenn von Familie und Beruf die Rede ist, denken ja viele zuerst an die Kinderbetreuung.

LÖHE: Genau das ist auch mein Eindruck. Die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf ist weniger präsent, obwohl sie zunehmend an Bedeutung gewinnt. In manchen Berufszweigen haben bis zu 30 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter pflegebedürftige Angehörige. Tendenz steigend, im Zuge des demographischen Wandels.

 

Können Sie, bezugnehmend auch auf Ihre Forschungsergebnisse, erklären, woran es liegt, dass der Aspekt Pflege und Beruf bisher noch nicht so häufig aufgegriffen wird von Unternehmen?

LÖHE: Stellen Sie sich vor, eine Ihrer Kolleginnen erwartet ein Kind. Sie wird das voller Freude erzählen und vielleicht stößt man im Kollegium sogar mit einer Flasche Sekt an. Über pflegebedürftige Angehörige wird weitaus seltener gesprochen. Auffällig ist auch, dass betroffene Personen die Pflegebedürftigkeit ihres Familienmitglieds eher als persönlichen Schicksalsschlag wahrnehmen, für den sie selbst auf eigene Faust die Verantwortung tragen müssen. Für junge Familien hingegen ist es ganz selbstverständlich, dass der Staat für sie etwas tut. Dabei sind breite Bevölkerungsschichten von dem Problem der Pflegebedürftigkeit betroffen. Vor allem Frauen sind mit den Konsequenzen der Mehrfachbelastung konfrontiert, da sie meist die Pflege übernehmen. Das führt dazu, dass insbesondere soziale Unternehmen wegen ihres hohen Frauenanteil von 70 bis 80 Prozent mit dem Thema Pflege und Beruf zu tun haben.

 

Warum sind es Ihrer Ansicht nach immer noch die Frauen, die die Pflege übernehmen?

LÖHE: Diesen Aspekt habe ich in meiner Arbeit ebenfalls kritisch beleuchtet. Dahinter steckt eine Problematik, die ich als Traditionsfalle in zwei Stufen bezeichnen würde. Stufe 1: Derzeit organisieren Paare mit kleinem Kind sich meist noch immer so, dass der Mann in der Erziehungsphase Vollzeit arbeitet, während die Frau allenfalls in Teilzeit beschäftigt ist. Die Frau nimmt dadurch Nachteile für ihre Karriere in Kauf, die nach der Erziehung der Kinder kaum noch ausgeglichen werden können. Stufe 2: Steht dann die Entscheidung für eine zweite Familienphase – wie etwa bei der Pflege von Angehörigen – im Raum, liegt es aufgrund der Karriere- und Einkommenssituation von Frauen nahe, dass sich erneut die Frau dazu entschließt. Für Frauen in sozialen Berufen kommt noch dazu, dass sie aufgrund der dort vorherrschenden schlechten Systembedingungen ohnehin niedrige Verdienst- und nur wenig Aufstiegschancen haben.

 

Gestatten Sie uns abschließend einen Ausblick, wie Ihre akademische Karriere nun weitergeht?

LÖHE: Attraktiv für mich wäre natürlich eine reguläre Professur. Speziell an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis fühle ich mich sehr wohl.

 

 

Das Interview führte Maria Petzinger.