Ausstellung „Kunst und Strafrecht“ bis zum 23. Juni am RheinMoselCampus Koblenz

Die Ausstellung „Kunst und Strafrecht“ wurde nun an der Hochschule Koblenz mit einer Vernissage eröffnet. Sie wird bis zum 23. Juni 2016 im B-Foyer am RheinMoselCampus in der Konrad-Zuse-Straße 1 zu sehen sein. Für alle Interessierten ist die Ausstellung kostenlos und offen zugänglich.

  • Von links: Prof. Dr. Kristian Bosselmann-Cyran (Präsident der Hochschule Koblenz), Dr. Dela-Madeleine Halecker (Akademische Mitarbeiterin an Schefflers Lehrstuhl) und Prof. Dr. Dr. Uwe Scheffler, (Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt, Oder).

Bei der Vernissage persönlich anwesend waren Prof. Dr. Dr. Uwe Scheffler, Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) und Dr. Dela-Madeleine Halecker, Akademische Mitarbeiterin an Schefflers Lehrstuhl, auf deren Initiative hin die Ausstellung 2013 vom gesamten Lehrstuhlteam erarbeitet wurde. Prof. Dr. Kristian Bosselmann-Cyran, Präsident der Hochschule Koblenz, dankte Scheffler in seiner Rede für seine Bereitschaft, diese interessanten Exponate am RheinMoselCampus zu präsentieren: „Die Ausstellung ‚Kunst und Strafrecht‘ eröffnet ungewöhnliche Perspektiven auf die Kunstfreiheit und den auch für Hochschulen elementaren Absatz 3 in Artikel 5 des Grundgesetzes. Deshalb ist es, ganz im Sinne des allgemeinen Bildungsauftrags, sehr erfreulich, dass wir die aufwändig gestalteten Tafeln hier an der Hochschule Koblenz zeigen können.“

Die Gäste der Vernissage erwarteten zwei lebendige Einführungsvorträge, die Scheffler und Halecker hielten. Die beiden Vortragenden beleuchteten das Thema „Kunst und Strafrecht“ dabei aus gegensätzlichen Perspektiven. „Leitmotiv der Ausstellung ist die Kunst in zweierlei Rollen: Die Kunst als Täterin und als Tatopfer“, erläuterte Halecker. Zunächst lud Scheffler die Besucherinnen und Besucher zu einem Rundgang ein, in dem er den Fokus auf die Kunst als „Täterin“ legte. In diesem Zusammenhang verwies Scheffler auch auf aktuelle Gerichtsentscheidungen und Diskussionen, wie beispielsweise die Causa Böhmermann, bei der es um die Definition von Kunst und die Grenzen der Kunstfreiheit geht. Darf Satire, wie Tucholsky einst proklamierte, wirklich alles?

Verschiedenste kontroverse Beispiele wiesen ein gemeinsames Muster auf: Den Konflikt zwischen der im Grundgesetz verankerten Kunstfreiheit und anderen Rechten, wie Persönlichkeits-, Eigentumsrechten oder dem Tierschutz. Sind zum Beispiel die Graffitis des Züricher Künstlers Harald Naegeli als Sachbeschädigung strafbar? „Man könnte hier auch mal eine ganz andere Frage stellen“, sagte Scheffler, „müsste Naegeli, um seine ‚Street Art‘ an Züricher Häusern ausüben zu dürfen, erst halb Zürich aufkaufen?“

Kunst oder Nicht-Kunst? Diese Unterscheidung spielt auch bei sogenannten Flitzern, die nackt Fußballspiele und andere Sportveranstaltungen stürmen, eine zentrale Rolle. So definierte der in Deutschland bekannte Flitzer „Ernie“ sich selbst als „Interaktionskünstler“ und erklärte seinen Körper zum Kunstwerk. Den Freiheitsstrafen und zahlreichen Geldbußen nach zu urteilen, waren die Gerichte jedoch anderer Meinung, wobei die Sachlage komplizierter war, als es auf den ersten Blick erscheinen könnte: Belästigung, Hausfriedensbruch, Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Kunstfreiheit?

Im Gang durch die Ausstellung wird das Spannungsfeld, in dem Kunst und Strafrecht sich seit jeher bewegen, deutlich sichtbar. Wenn Kunst Tabus bricht, Verdrängtes ans Tageslicht bringt oder gesellschaftliche Konventionen in Frage stellt, scheiden sich die Geister – damals wie heute. Ein weiteres interessantes Beispiel: Die öffentliche Kaninchenschlachtung in einer Performance, 2006 von Falk Richwien durchgeführt, wurde nicht nur in der Berliner Boulevardpresse zum Skandal. Machte sich der Künstler, der in einer Hinterhofgalerie der Hackeschen Höfe unter Beihilfe eines Bio-Fleischers zwei weiße Kaninchen tötete, der Tierquälerei schuldig? Oder rief die Performance nur auf schmerzhafte Weise ins kollektive Bewusstsein, was ohnehin täglich in deutschen Schlachtbetrieben fern der öffentlichen Wahrnehmung geschieht? Ändert das nachträgliche Verspeisen der Kaninchen etwas am Vorwurf der Tierquälerei? Wenn die Kunstfreiheit in Konflikt mit anderen Gesetzen gerät, wie hier mit dem Tierschutzparagraphen, liegen solch schwierige Abwägungen bei den zuständigen Gerichten. „Richwien wurde für seine Performance verurteilt. Nach dem  Tierschutzgesetz darf man keine Tiere töten – außer mit vernünftigem Grund“, stellte Scheffler fest, „aber was ist ein vernünftiger Grund? Das Oberverwaltungsgericht Münster fällte kürzlich in Bezug auf das Schreddern von Küken ein Urteil mit einer Begründung, die mich als Juristen den Kopf schütteln lässt. Es hieß dort: Ökonomische Interessen seien immer ein wichtiger Grund. Deshalb bleibt das Kükenschreddern erlaubt. Wirtschaftlicher Profit soll also ein vernünftiger Grund sein, ein Grundgesetzartikel aber nicht?“

Wie kontrovers die Fälle im Bereich „Kunst und Strafrecht“ sein können, zeigte auch der Vortrag Haleckers, die den Schwerpunkt auf Kunst als Tatopfer, etwa von Raub, Fälschung oder Sachbeschädigung, setzte. Halecker hob hervor, dass das Leben gerade in diesem Grenzbereich oftmals spannende, fast schon skurril anmutende Geschichten über die Ländergrenzen hinaus schreibt. Sie ging dabei unter anderem auf den vielleicht genialsten Kunstfälscher des 20. Jahrhunderts Han van Meegeren näher ein, dessen komplexer Fall als „höchst reizvoller Absatz“ bezeichnet wird in dem großen, an Aktualität nichts einbüßenden Kapitel mit der Überschrift: „Mundus vult decipi – die Welt will betrogen sein.“ Zu allen Zeiten, in allen Ländern und Kunstgebieten finden sich Geschichten zu Kunstfälschungen – doch nur selten sind die Umstände des Falles derart gelagert, dass darüber Zeitungen, Zeitschriften, Funk und Fernsehen berichten, Bücher geschrieben werden und die Theaterbühne sich damit beschäftigt. Und selbst heutzutage werden van Meegerens Fälschungen in Museen ausgestellt – Werke eines Fälschers, dem es einst gelang, sowohl Kunstexperten als auch ausgewiesene Kunstsammler über die Ländergrenzen hinaus „an der Nase herumzuführen“.

Bei so vielen Unklarheiten, die bezüglich der jeweiligen Sach- und Gesetzeslage erkennbar werden, zeigt die Ausstellung sehr deutlich: Wie auch immer ein Gericht im Einzelfall über Kunstfreiheit entscheidet, vorhersagbar ist der Prozessausgang nicht.